Kant: AA X, Briefwechsel 1775 , Seite 185 |
|||||||
Zeile:
|
Text (Kant):
|
|
|
||||
| 01 | der ganz von dem Schlendrian des hiesigen Adels abweicht, aus Liebe | ||||||
| 02 | zu den Wissenschaften, und nicht blos den Baron zu spielen, nach | ||||||
| 03 | Leipzig geth. Du wirst in ihm gewis sehr gute Anlagen finden. | ||||||
| 04 | Mache ihm aus Liebe zu mir (ich hoffe, daß es auch aus Achtung | ||||||
| 05 | für seinen persönlichen Caracter geschehen wird) seinen Auffenthalt in | ||||||
| 06 | Konigsberg so angenehm, als es deine Geschäfte und Verbindungen | ||||||
| 07 | nur erlauben wollen. Mir hat der Entschlus zu heyrathen noch nicht | ||||||
| 08 | gereuet. An der Seite meiner lieben Frauen, bin ich bey einer sehr | ||||||
| 09 | Frugalen Mahlzeit weit glücklicher, als ich es vormahls je an den | ||||||
| 10 | üppigen Tafeln des stoltzen Adels gewesen. Giebt es denn keine Ferien | ||||||
| 11 | auf eurer Universit.? Komm auf einige Wochen nach Mietau, und | ||||||
| 12 | sieh, wie zufrieden dein Bruder mit seiner Mariane lebt. Doch einen | ||||||
| 13 | solch verhärteten Garéon wie Du bist, wird ein Beyspiel ehelicher Zärtlichkeit | ||||||
| 14 | nicht rühren. Wir haben auf unserer Academie Leute die | ||||||
| 15 | einer Universit. Ehre machen würden, an kleinen Tracasserien fehlt | ||||||
| 16 | es aber auch nicht, und diese divertiren den uninterreßirten Zuschauer | ||||||
| 17 | ungemein. Meine Lebensart ist übrigens sehr mühsam, ich habe | ||||||
| 18 | meinen ganzen Tag mit Lehrstunden besetzt und alle mein Haus mit | ||||||
| 19 | Kostgängern angefült, und dies ist nothwendig, um ehrlich durchkommen | ||||||
| 20 | zu können. Mein verehrungswürdiger Hr. Vetter Richter meine Tante, | ||||||
| 21 | und meine Schwestern müssen es mir vergeben, daß ich noch nicht an | ||||||
| 22 | sie geschrieben, wo nehme ich Zeit dazu her. Nächstens will ich dieser | ||||||
| 23 | Pflicht ein Gnüge thun. Bis dahin empfehle ich mich in diesem Blatte | ||||||
| 24 | ihrem Herzen. Meine Frau überschicket Dir einen schwesterlichen Kuß, | ||||||
| 25 | und ich bin mit dem aufrichtigsten Herzen | ||||||
| 26 | Dein | ||||||
| 27 | Mietau | getreuer | |||||
| 28 | d. 16 Aug | Bruder | |||||
| 29 | 1775. | Kant. | |||||
| 105. | |||||||
| 31 | Von Heinrich Christian Boie und Christian Wilhelm Dohm. | ||||||
| 32 | 12. Sept. 1775. | ||||||
| 33 | Die Idee eines encyclopädischen Iournals war zu gut, um sie | ||||||
| 34 | gleich nach einem fehlgeschlagenen Versuche aufzugeben. Gelehrte von | ||||||
| 35 | Ansehn wünschten nicht allein eine beßre Ausführung, sondern hatten | ||||||
| 36 | auch den Herausgeber der leztern Stücke dieses Iournals durch Beyträge | ||||||
| [ Seite 184 ] [ Seite 186 ] [ Inhaltsverzeichnis ] |
|||||||