Kant: AA X, Briefwechsel 1770 , Seite 107

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 Ende fordert. Die Ewigkeit ist nicht in der Zeit, weil ihre Dauer      
  02 absolut ist. Eine Substanz, die eine absolute Dauer hat, ist ebenfalls      
  03 nicht in der Zeit. Alles was existirt dauert, aber nicht alles ist in      
  04 der Zeit. etc. Bey einem so klaren Begriff wie die Zeit ist, fehlt es      
  05 an Sätzen nicht. Es scheint nur daran zu ligen, daß man Zeit und      
  06 Dauer nicht definiren sondern schlechthin nur denken muß. Alle Veränderungen      
  07 sind an die Zeit gebunden und laßen sich ohne Zeit nicht      
  08 gedenken. Sind die Veränderungen real so ist die Zeit real,      
  09 was sie auch immer seyn mag. Ist die Zeit nicht real so ist auch      
  10 keine Veränderung real. Es däucht mich aber doch, daß auch      
  11 selbst ein Idealiste wenigstens in seinen Vorstellungen Veränderungen,      
  12 wie Anfangen und Aufhören derselben zugeben muß, das wirklich vorgeht      
  13 und existirt. Und damit kann die Zeit nicht als etwas nicht      
  14 reales angesehen werden. Sie ist keine Substanz etc. aber eine      
  15 endliche Bestimmung der Dauer, und mit der Dauer hat sie etwas      
  16 reales, worinn dieses auch immer bestehen mag. Kann es mit keinem      
  17 von andern Dingen hergenommenen Namen ohne Gefahr von Mißverstand      
  18 benennt werden, so muß es entweder ein neugemachtes      
  19 Primitivum zum Namen bekommen, oder unbenennt bleiben. Das reale      
  20 der Zeit und des Raumes scheint so was einfaches und in Absicht      
  21 auf alles übrige heretogenes zu haben, daß man es nur denken aber      
  22 nicht definiren kann. Die Dauer scheint von der Existenz unzertrennlich      
  23 zu seyn. Was existirt dauert entweder absolut oder eine Zeit lang,      
  24 und hinwiderum was dauert, muß so lang es dauert nothwendig vorhanden      
  25 seyn. Existirende Dinge von nicht absoluter Dauer sind nach      
  26 der Zeit geordnet, sofern sie anfangen, fortdauern, sich ändern, aufhören      
  27 etc. Da ich den Veränderungen die Realität nicht absprechen      
  28 kann, bevor ich nicht eines andern belehrt werde, so kann      
  29 ich noch dermalen auch nicht sagen, daß die Zeit und so auch der      
  30 Raum nur ein Hülfsmittel zum Behuf der menschlichen Vorstellungen      
  31 sey. Was übrigens die in Ansehung der Zeit in den Sprachen übliche      
  32 Redensarten betrift, so ist es immer gut, die Vieldeutigkeiten anzumerken,      
  33 die das Wort Zeit darinn hat. Z. E.      
           
  34 Eine lange Zeit ist Intervallum temporis vel duorum momentorum      
  35 und bedeutet eine bestimmte Dauer.      
           
  36 Und diese Zeit, zu dieser Zeit etc. ist entweder ein bestimter      
           
     

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