Kant: AA X, Briefwechsel 1765 , Seite 056 |
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| 01 | vermeinten Philosophen entspringt; weil gar kein gemeines Richtmaas | ||||||
| 02 | da ist ihre Bemühungen einstimmig zu machen. Seit dieser | ||||||
| 03 | Zeit sehe ich iedesmal aus der Natur einer ieden vor mir liegenden | ||||||
| 04 | Untersuchung, was ich wissen muß um die Auflösung einer besondern | ||||||
| 05 | Frage zu leisten, und welcher Grad der Erkentnis aus demienigen | ||||||
| 06 | bestimmt ist, was gegeben worden, so, daß zwar das Urtheil | ||||||
| 07 | ofters eingeschränkter, aber auch bestimmter und sicherer wird, als gemeiniglich | ||||||
| 08 | geschieht. Alle diese Bestrebungen laufen hauptsächlich auf | ||||||
| 09 | die eigenthümliche Methode der Metaphysick und vermittelst derselben auch | ||||||
| 10 | der gesammten Philosophie hinaus, wobey ich Ihnen, mein Herr, nicht | ||||||
| 11 | unangezeigt lassen kan daß HE Kanter, welcher von mir vernahm, | ||||||
| 12 | daß ich eine Schrift unter diesem Titel vielleicht zur nächsten Ostermesse | ||||||
| 13 | fertig haben möchte, nach Buchhändler Art nicht gesäumt hat | ||||||
| 14 | diesen Titel, obgleich etwas verfälscht, in den Leipziger Meßcatalog | ||||||
| 15 | setzen zu lassen. Ich bin gleichwohl von meinem ersten Vorsatze so | ||||||
| 16 | ferne abgegangen: daß ich dieses Werk, als das Hauptziel aller dieser | ||||||
| 17 | Aussichten noch ein wenig aussetzen will, und zwar darum, weil ich | ||||||
| 18 | im Fortgange desselben merkte, daß es mir wohl an Beyspielen der | ||||||
| 19 | Verkehrtheit im Urtheilen garnicht fehlete um meine Sätze von dem | ||||||
| 20 | unrichtigen Verfahren zu illust[r]iren, daß es aber gar sehr an solchen | ||||||
| 21 | mangele, daran ich in concreto das eigenthümliche Verfahren zeigen | ||||||
| 22 | könte. Daher um nicht etwa einer neuen philosophischen Proiektmacherey | ||||||
| 23 | beschuldigt zu werden, ich einige kleinere Ausarbeitungen | ||||||
| 24 | voranschicken muß, deren Stoff vor mir fertig liegt, worunter die | ||||||
| 25 | metaphysische Anfangsgründe der natürlichen Weltweisheit, | ||||||
| 26 | und die metaph: Anfangsgr: der praktischen Weltweisheit | ||||||
| 27 | die ersten seyn werden, damit die Hauptschrift nicht durch | ||||||
| 28 | gar zu weitläuftige und doch unzulängliche Beyspiele alzu sehr gedehnet | ||||||
| 29 | werde. | ||||||
| 30 | Der Augenblik meinen Brief zu schließen überrascht mich. Ich | ||||||
| 31 | werde künftig die Ehre haben Ihnen mein Herr einiges zu meiner | ||||||
| 32 | Absicht gehöriges darzulegen, und Dero mir sehr wichtiges Urtheil | ||||||
| 33 | zu erbitten. | ||||||
| 34 | Sie klagen mein Herr mit Recht über das ewige Getändel der | ||||||
| 35 | Wizlinge und die ermüdende Schwatzhaftigkeit der itzigen Scribenten | ||||||
| 36 | vom herrschenden Tone, die weiter keinen Geschmak haben, als den, | ||||||
| 37 | vom Geschmak zu reden. Allein mich dünkt, daß dieses die Euthanasie | ||||||
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