Kant: AA IX, Immanuel Kants physische ... , Seite 299

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 Es ist lächerlich, wenn La Loubêre in seiner Beschreibung von      
  02 Siam den Affen diese Muscheln beimißt, die sie bloß zum Zeitvertreibe,      
  03 wie sie dies auf dem Cap thun, auf die Spitzen hoher Berge sollen getragen      
  04 haben, oder, wie ein anderer dafür hält, daß die asiatischen Muscheln,      
  05 die man auf den europäischen Bergen findet, von den Kriegsheeren      
  06 mitgebracht worden, so die Kreuzzüge nach dem gelobten Lande thaten.      
           
  07 Man findet aber auch andere Seethiere versteinert oder in Stein abgeformt      
  08 allenthalben auch mitten in dem Gesteine, daraus die Gebirge      
  09 bestehen. Es giebt darin häufige Schlangenzungen oder versteinerte      
  10 Zähne vom Haifisch, das gewundene Horn des Narwals, Knochen von      
  11 Walfischen, Theile von versteinerten Seeinsecten, dahin die Judensteine,      
  12 Asteroiden, Petunkeln usw. gezählt werden müssen.      
           
  13 Ferner sind in der Gestalt der Gebirge Beweise vom vorigen Aufenthalte      
  14 der See über dem festen Lande zu finden. Das zwischen zwei Reihen      
  15 von Gebirgen sich schlängelnde Thal ist dem Schlauche eines Flusses oder      
  16 dem Canale eines Meerstromes ähnlich. Die beiderseitigen Höhen laufen      
  17 wie die Ufer der Flüsse einander parallel, so daß der ausspringende Winkel      
  18 des einen dem einstehenden Winkel des andern gegenüber steht. Dies      
  19 beweist, daß die Ebbe und Fluth auf dem grenzenlosen Meere, welches die      
  20 ganze Erde bedeckte, eben sowohl Meerströme gemacht habe als jetzt im      
  21 Ocean, und daß diese zwischen den Reihen von Gebirgen sich ordentliche      
  22 Canäle ausgehöhlt und zubereitet haben.      
           
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§. 76.
     
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B. Beweisthümer, daß das Meer öfters in festes Land und
     
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dieses wieder in Meer verwandelt worden.
     
           
  26 Zuerst ist die Betrachtung der Schichten nothwendig, daraus die      
  27 obere Rinde der Erde besteht. Man findet verschiedene Strata oder      
  28 Schichten von allerlei Materien, als Lehm, feinen Sand, Kalkerde, groben      
  29 Sand, Muscheln usw., gleichsam blätterweise über einander. Dergleichen      
  30 Schichten sind entweder horizontal oder inclinirt und sind, so weit      
  31 sie sich erstrecken, von einerlei Dicke.      
           
  32 Nun findet man öfters unter den ersten Schichten eine Schicht des      
  33 Meergrundes, welches man an den verschütteten Seepflanzen und Muscheln      
  34 erkennen kann. Diese Schicht besteht oft aus einer Kreidenerde,      
  35 welche nichts anders als Muschelgries ist, dann folgt oft eine Schicht, darin      
           
     

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