Kant: AA IX, Immanuel Kants physische ... , Seite 249

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01
§. 44.
     
           
  02 Die Luft auf den Bergen ist weit kälter als die in den untern Gegenden,      
  03 so daß das beständige Eis und der immerwährende Schnee Kennzeichen      
  04 der höchsten Berge sind.      
           
  05 In der Höhe von etwa einer Viertelmeile und drüber ist keine Abwechselung      
  06 der Witterung mehr, sondern ein beständiger Winter. Hieraus      
  07 ersieht man, daß die Masse der Wärme nicht eigentlich durch die      
  08 Sonnenstrahlen, sondern vielmehr durch die Erregung der Erdenwärme      
  09 vermittelst jener hervorgebracht werde. Eine solche Erdwärme scheint      
  10 eigenthümlich der Erde zuzukommen, weil man es in der Tiefe, in die man      
  11 bisher gegraben hat, und zu welcher die Sonne nicht durchdringen kann,      
  12 noch allezeit warm findet. Die Wärme wird der Luft in eben der Art      
  13 mitgetheilt wie die elektrische Materie den Federn. Sie scheint sich nach      
  14 dem Cubus diametrorum auszubreiten und eine feine und subtile Materie      
  15 zu sein, die in alle Körper eindringt und mit der elektrischen ungemein      
  16 übereinkommt, außer daß durch diese letztere Materie Wirkungen entstehen,      
  17 wenn sie in eine zitternde Bewegung geräth, die Wirkungen des      
  18 Feuers oder der Wärme aber alsdann entstehen, wenn sie sich von einem      
  19 Partikelchen aus dem andern mittheilt und in ihn übergeht.      
           
  20 Perrault merkt an, daß es alsdann warm sei, wenn die Dünste ihre      
  21 Figur und Form nicht verändern. Das Fahrenheit'sche Thermometer      
  22 zeigt die Wärme bei dem Siedpunkte des Wassers durch den 212ten Grad,      
  23 den Grad der Wärme des Blutes unter dem 96sten und die höchste      
  24 Sommerwärme mit dem 70sten Grade an.      
           
  25 Daß die Kälte der Luft und der hohen Berge aus dem Mangel von      
  26 Erdwärme entstehe, erhellt daraus, daß im Sommer auf den höchsten      
  27 Bergen der obere Schnee liegen bleibt, der untere aber wegschmilzt. In      
  28 der sogenannten heißen Zone erheben sich große Berge und auf deren      
  29 Spitze ein ewiges Eis. Es wird also die Wärme in jenen Gegenden nicht      
  30 so stark sein können, als sie beschrieben wird, ja, nicht einmal so groß als      
  31 in den längsten Tagen innerhalb der temperirten Zonen, weil die Sonne      
  32 daselbst länger über dem Horizonte bleibt als in dem heißen Erdgürtel,      
  33 wo die Nacht beständig zwölf Stunden lang ist, es sich also dort auch eher      
  34 abkühlen kann als in den gemäßigtern Erdstrichen, wo die Nächte während      
  35 des Sommers so überaus kurz sind. Es wird aber ferner auch dies, da      
  36 die Hitze im Sommer nicht unmittelbar von den Sonnenstrahlen herrühre,      
           
     

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