Kant: AA IX, Immanuel Kant's Logik Ein ... , Seite 063

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 Die erstere Art der logischen Deutlichkeit kann auch die äußere      
  02 Vollständigkeit ( completudo externa ), so wie die andre, die innere      
  03 Vollständigkeit ( completudo interna ) der Klarheit der Merkmale genannt      
  04 werden. Die letztere läßt sich nur von reinen Vernunftbegriffen und von      
  05 willkürlichen Begriffen, nicht aber von empirischen erlangen.      
           
  06 Die extensive Größe der Deutlichkeit, sofern sie nicht abundant      
  07 ist, heißt Präcision (Abgemessenheit). Die Ausführlichkeit ( completudo )      
  08 und Abgemessenheit ( praecisio ) zusammen machen die Angemessenheit      
  09 aus ( cognitionem, quae rem adaequat ); und in der intensiv adäquaten      
  10 Erkenntniß, in der Profundität, verbunden mit der extensiv adäquaten      
  11 in der Ausführlichkeit und Präcision, besteht (der Qualität      
  12 nach) die vollendete Vollkommenheit eines Erkenntnisses ( consummata      
  13 cognitionis perfectio ).      
           
  14 Da es, wie wir bemerkt haben, das Geschäft der Logik ist, klare      
  15 Begriffe deutlich zu machen, so frägt es sich nun: Auf welche Art      
  16 sie dieselben deutlich mache?      
           
  17 Die Logiker aus der Wolffischen Schule setzen alle Deutlichmachung      
  18 der Erkenntnisse in die bloße Zergliederung derselben. Allein nicht alle      
  19 Deutlichkeit beruht auf der Analysis eines gegebenen Begriffs. Dadurch      
  20 entsteht sie nur in Ansehung derjenigen Merkmale, die wir schon in dem      
  21 Begriffe dachten, keineswegs aber in Rücksicht auf die Merkmale, die      
  22 zum Begriffe erst hinzukommen, als Theile des ganzen möglichen Begriffs.      
           
  23 Diejenige Art der Deutlichkeit, die nicht durch Analysis, sondern      
  24 durch Synthesis der Merkmale entspringt, ist die synthetische Deutlichkeit.      
  25 Und es ist also ein wesentlicher Unterschied zwischen den beiden      
  26 Sätzen: Einen deutlichen Begriff machen und einen Begriff      
  27 deutlich machen.      
           
  28 Denn wenn ich einen deutlichen Begriff mache: so fange ich von den      
  29 Theilen an und gehe von diesen zum Ganzen fort. Es sind hier noch keine      
  30 Merkmale vorhanden; ich erhalte dieselben erst durch die Synthesis. Aus      
  31 diesem synthetischen Verfahren geht also die synthetische Deutlichkeit hervor,      
  32 welche meinen Begriff durch das, was über denselben in der (reinen      
  33 oder empirischen) Anschauung als Merkmal hinzukommt, dem Inhalte      
  34 nach wirklich erweitert. Dieses synthetischen Verfahrens in Deutlichmachung      
           
     

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