Kant: AA VII, Anthropologie in pragmatischer ... , Seite 273

   
         
 

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  01 (die er von sich abstößt) zu seinen Zwecken zu gebrauchen, angesehen werden;    
  02 vielmehr ist der Hochmüthige das Instrument der Schelme, Narr    
  03 genannt. Einsmals fragte mich ein sehr vernünftiger, rechtschaffener    
  04 Kaufmann: "warum der Hochmüthige jederzeit auch niederträchtig sei"    
  05 (jener hatte nämlich die Erfahrung gemacht: daß der mit seinem Reichthum    
  06 als überlegener Handelsmacht großthuende beim nachher eingetretenen    
  07 Verfall seines Vermögens sich auch kein Bedenken machte, zu kriechen).    
  08 Meine Meinung war diese: daß, da der Hochmuth das Ansinnen    
  09 an einen Anderen ist, sich selbst in Vergleichung mit jenem zu verachten,    
  10 ein solcher Gedanke aber niemand in den Sinn kommen kann als nur dem,    
  11 welcher sich selbst zu Niederträchtigkeit bereit fühlt, der Hochmuth an sich    
  12 schon von der Niederträchtigkeit solcher Menschen ein nie trügendes, vorbedeutendes    
  13 Kennzeichen abgebe.    
         
  14

b.

[ entsprechender Abschnitt in den Reflexionen zur Antropologie (AA XV, 490) ]    
  15

Herrschsucht.

   
         
  16 Diese Leidenschaft ist an sich ungerecht, und ihre Äußerung bringt    
  17 alles wider sich auf. Sie fängt aber von der Furcht an von andern beherrscht    
  18 zu werden und ist darauf bedacht, sich bei Zeiten in den Vortheil    
  19 der Gewalt über sie zu setzen; welches doch ein mißliches und ungerechtes    
  20 Mittel dazu ist, andere Menschen zu seinen Absichten zu gebrauchen: weil    
  21 es theils den Widerstand aufruft und unklug, theils der Freiheit unter    
  22 Gesetzen, worauf jedermann Anspruch machen kann, zuwider und ungerecht    
  23 ist. - Was die mittelbare Beherrschungskunst betrifft, z. B. die    
  24 des weiblichen Geschlechts durch Liebe, die es dem männlichen gegen sich    
  25 einflößt, dieses zu seinen Absichten zu brauchen, so ist sie unter jenem Titel    
  26 nicht mit begriffen: weil sie keine Gewalt bei sich führt, sondern den Unterthänigen    
  27 durch seine eigene Neigung zu beherrschen und zu fesseln weiß.    
  28 - Nicht als ob der weibliche Theil unserer Gattung von der Neigung    
  29 über den männlichen zu herrschen frei wäre (wovon gerade das Gegentheil    
  30 wahr ist), sondern weil es sich nicht desselben Mittels zu dieser Absicht    
  31 als das männliche bedient, nämlich nicht des Vorzugs der Stärke (als    
  32 welche hier unter dem Worte herrschen gemeint ist), sondern der Reize,    
  33 welche eine Neigung des andern Theils, beherrscht zu werden, in sich    
  34 enthält.    
         
         
     

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