Kant: AA VII, Anthropologie in pragmatischer ... , Seite 161

   
         
 

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Text (Kant):

 

Verknüpfungen:

 

 

 
  01 Menschen mit sich selbst vertritt die Stelle einer Gesellschaft, indem es die    
  02 Leere der Zeit statt des Gespräches mit immer neu erregten Empfindungen    
  03 und schnell vorbeigehenden, aber immer wieder erneuerten Anreizen    
  04 ausfüllt.    
         
  05

Vom inneren Sinn.

[ entsprechender Abschnitt in den Reflexionen zur Antropologie (AA XV, 099) ]    
         
  06 § 24. Der innere Sinn ist nicht die reine Apperception, ein Bewußtsein    
  07 dessen, was der Mensch thut, denn dieses gehört zum Denkungsvermögen,    
  08 sondern was er leidet, wiefern er durch sein eignes Gedankenspiel    
  09 afficirt wird. Ihm liegt die innere Anschauung, folglich das Verhältniß    
  10 der Vorstellungen in der Zeit (so wie sie darin zugleich oder nach    
  11 einander sind) zum Grunde. Die Wahrnehmungen desselben und die    
  12 durch ihre Verknüpfung zusammengesetzte (wahre oder scheinbare) innere    
  13 Erfahrung ist nicht blos anthropologisch, wo man nämlich davon absieht,    
  14 ob der Mensch eine Seele (als besondere unkörperliche Substanz)    
  15 habe oder nicht, sondern psychologisch, wo man eine solche in sich wahrzunehmen    
  16 glaubt, und das Gemüth, welches als bloßes Vermögen zu    
  17 empfinden und zu denken vorgestellt ist, als besondere im Menschen wohnende    
  18 Substanz angesehen wird. - Da giebt es alsdann nur Einen    
  19 inneren Sinn, weil es nicht verschiedene Organe sind, durch welche der    
  20 Mensch sich innerlich empfindet, und man könnte sagen, die Seele ist das    
  21 Organ des inneren Sinnes, von dem nun gesagt wird, daß er auch Täuschungen    
  22 unterworfen ist, die darin bestehen, daß der Mensch die Erscheinungen    
  23 desselben entweder für äußere Erscheinungen, d. i. Einbildungen    
  24 für Empfindungen, nimmt, oder aber gar für Eingebungen hält, von    
  25 denen ein anderes Wesen, welches doch kein Gegenstand äußerer Sinne    
  26 ist, die Ursache sei: wo die Illusion alsdann Schwärmerei oder auch    
  27 Geisterseherei und beides Betrug des inneren Sinnes ist. In beiden    
  28 Fällen ist es Gemüthskrankheit: der Hang das Spiel der Vorstellungen    
  29 des inneren Sinnes für Erfahrungserkenntniß anzunehmen, da es doch    
  30 nur eine Dichtung ist; oft auch sich selbst mit einer gekünstelten Gemüthsstimmung    
  31 hinzuhalten, vielleicht weil man sie für heilsam und über die    
  32 Niedrigkeit der Sinnenvorstellungen erhaben hält, und mit darnach geformten    
  33 Anschauungen (Träumen im Wachen) sich zu hintergehen.    
  34 Denn nachgerade hält der Mensch das, was er sich selbst vorsetzlich ins    
  35 Gemüth hineingetragen hat, für etwas, das schon vorher in demselben    
         
     

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