Kant: AA VII, Der Streit der ... , Seite 112

   
         
 

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  01 eine so gänzliche Abwesenheit von dem Zustande des Wachenden ist, daß    
  02 sich nicht auch eine Aufmerksamkeit auf seine Lage in jenem Zustande mit    
  03 einmische: wie man denn dieses auch daraus abnehmen kann, daß die,    
  04 welche sich des Abends vorher vorgenommen haben früher als gewöhnlich    
  05 (etwa zu einer Spazierfahrt) aufzustehen, auch früher erwachen; indem    
  06 sie vermuthlich durch die Stadtuhren aufgeweckt worden, die sie also auch    
  07 mitten im Schlaf haben hören und darauf Acht geben müssen. - Die    
  08 mittelbare Folge dieser löblichen Angewöhnung ist: daß das unwillkürliche    
  09 abgenöthigte Husten (nicht das Aufhusten eines Schleims als beabsichtigter    
  10 Auswurf) in beiderlei Zustande verhütet und so durch die    
  11 bloße Macht des Vorsatzes eine Krankheit verhütet wird. - - Ich habe    
  12 sogar gefunden, daß, da mich nach ausgelöschtem Licht (und eben zu Bette    
  13 gelegt) auf einmal ein starker Durst anwandelte, den mit Wassertrinken    
  14 zu löschen ich im Finstern hätte in eine andere Stube gehen und durch    
  15 Herumtappen das Wassergeschirr suchen müssen, ich darauf fiel, verschiedene    
  16 und starke Athemzüge mit Erhebung der Brust zu thun und gleichsam    
  17 Luft durch die Nase zu trinken; wodurch der Durst in wenig Secunden    
  18 völlig gelöscht war. Es war ein krankhafter Reiz, der durch einen    
  19 Gegenreiz gehoben ward.    
         
  20

Beschluß.

   
         
  21 Krankhafte Zufälle, in Ansehung deren das Gemüth das Vermögen    
  22 besitzt, des Gefühls derselben durch den bloßen standhaften Willen des    
  23 Menschen, als einer Obermacht des vernünftigen Thieres, Meister werden    
  24 zu können, sind alle von der spastischen (krampfhaften) Art: man kann aber    
  25 nicht umgekehrt sagen, daß alle von dieser Art durch den bloßen festen    
  26 Vorsatz gehemmt oder gehoben werden können. - Denn einige derselben    
  27 sind von der Beschaffenheit, daß die Versuche sie der Kraft des Vorsatzes    
  28 zu unterwerfen das krampfhafte Leiden vielmehr noch verstärken; wie es    
  29 der Fall mit mir selber ist, da diejenige Krankheit, welche vor etwa einem    
  30 Jahr in der Kopenhagener Zeitung als "epidemischer, mit Kopfbedrückung    
  31 verbundener Katarrh" beschrieben wurde,*) (bei mir aber wohl    
  32 ein Jahr älter, aber doch von ähnlicher Empfindung ist) mich für eigene    
  33 Kopfarbeiten gleichsam desorganisirt, wenigstens geschwächt und stumpf    
  34 gemacht hat und, da sich diese Bedrückung auf die natürliche Schwäche    
         
    *) Ich halte sie für eine Gicht, die sich zum Theil aufs Gehirn geworfen hat.    
         
     

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