Kant: AA VII, Der Streit der ... , Seite 091

   
         
 

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  01 zugleich, vereinigt, gesetzgebend sein sollen, liegt bei allen Staatsformen    
  02 zum Grunde, und das gemeine Wesen, welches, ihr gemäß durch reine    
  03 Vernunftbegriffe gedacht, ein platonisches Ideal heißt ( respublica noumenon ),    
  04 ist nicht ein leeres Hirngespinnst, sondern die ewige Norm für alle    
  05 bürgerliche Verfassung überhaupt und entfernt allen Krieg. Eine dieser    
  06 gemäß organisirte bürgerliche Gesellschaft ist die Darstellung derselben    
  07 nach Freiheitsgesetzen durch ein Beispiel in der Erfahrung ( respublica    
  08 phaenomenon ) und kann nur nach mannigfaltigen Befehdungen und    
  09 Kriegen mühsam erworben werden; ihre Verfassung aber, wenn sie im    
  10 Großen einmal errungen worden, qualificirt sich zur besten unter allen,    
  11 um den Krieg, den Zerstörer alles Guten, entfernt zu halten; mithin ist    
  12 es Pflicht in eine solche einzutreten, vorläufig aber (weil jenes nicht so    
  13 bald zu Stande kommt) Pflicht der Monarchen, ob sie gleich autokratisch    
  14 herrschen, dennoch republicanisch (nicht demokratisch) zu regieren, d. i.    
  15 das Volk nach Principien zu behandeln, die dem Geist der Freiheitsgesetze    
  16 (wie ein Volk mit reifer Vernunft sie sich selbst vorschreiben würde)    
  17 gemäß sind, wenn gleich dem Buchstaben nach es um seine Einwilligung    
  18 nicht befragt würde.    
         
  19
9.
   
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Welchen Ertrag wird der Fortschritt zum Besseren dem
   
  21
Menschengeschlecht abwerfen?
   
         
  22 Nicht ein immer wachsendes Quantum der Moralität in der Gesinnung,    
  23 sondern Vermehrung der Producte ihrer Legalität in pflichtmäßigen    
  24 Handlungen, durch welche Triebfeder sie auch veranlaßt sein    
  25 mögen; d. i. in den guten Thaten der Menschen, die immer zahlreicher    
  26 und besser ausfallen werden, also in den Phänomenen der sittlichen Beschaffenheit    
  27 des Menschengeschlechts, wird der Ertrag (das Resultat) der    
  28 Bearbeitung desselben zum Besseren allein gesetzt werden können. -Denn    
  29 wir haben nur empirische Data (Erfahrungen), worauf wir diese Vorhersagung    
  30 gründen: nämlich auf die physische Ursache unserer Handlungen,    
  31 in sofern sie geschehen, die also selbst Erscheinungen sind, nicht die moralische,    
  32 welche den Pflichtbegriff von dem enthält, was geschehen sollte, und    
  33 der allein rein, a priori, aufgestellt werden kann.    
         
  34 Allmählich wird der Gewaltthätigkeit von Seiten der mächtigen    
  35 weniger, der Folgsamkeit in Ansehung der Gesetze mehr werden. Es wird    
  36 etwa mehr Wohlthätigkeit, weniger Zank in Processen, mehr Zuverlässigkeit    
         
     

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