Kant: AA VI, Die Metaphysik der Sitten. ... , Seite 403 |
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| 01 | Achtung für sein eigenes Wesen ab, und dieses Gefühl (welches | ||||||
| 02 | von eigner Art ist) ist ein Grund gewisser Pflichten, d. i. gewisser | ||||||
| 03 | Handlungen, die mit der Pflicht gegen sich selbst zusammen bestehen können; | ||||||
| 04 | nicht: er habe eine Pflicht der Achtung gegen sich; denn er mu | ||||||
| 05 | Achtung vor dem Gesetz in sich selbst haben, um sich nur eine Pflicht überhaupt | ||||||
| 06 | denken zu können. | ||||||
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| 10 | Erstlich: Für Eine Pflicht kann auch nur ein einziger Grund der | ||||||
| 11 | Verpflichtung gefunden werden, und werden zwei oder mehrere Beweise | ||||||
| 12 | darüber geführt, so ist es ein sicheres Kennzeichen, daß man entweder noch | ||||||
| 13 | gar keinen gültigen Beweis habe, oder es auch mehrere und verschiedne | ||||||
| 14 | Pflichten sind, die man für Eine gehalten hat. | ||||||
| 15 | Denn alle moralische Beweise können, als philosophische, nur vermittelst | ||||||
| 16 | einer Vernunfterkenntniß aus Begriffen, nicht, wie die Mathematik | ||||||
| 17 | sie giebt, durch die Construction der Begriffe geführt werden; die | ||||||
| 18 | letztern verstatten Mehrheit der Beweise eines und desselben Satzes: weil | ||||||
| 19 | in der Anschauung a priori es mehrere Bestimmungen der Beschaffenheit | ||||||
| 20 | eines Objects geben kann, die alle auf eben denselben Grund zurück | ||||||
| 21 | führen. - Wenn z. B. für die Pflicht der Wahrhaftigkeit ein Beweis | ||||||
| 22 | erstlich aus dem Schaden, den die Lüge andern Menschen verursacht, | ||||||
| 23 | dann aber auch aus der Nichtswürdigkeit eines Lügners und der Verletzung | ||||||
| 24 | der Achtung gegen sich selbst geführt werden will, so ist im ersteren | ||||||
| 25 | eine Pflicht des Wohlwollens, nicht eine der Wahrhaftigkeit, mithin nicht | ||||||
| 26 | diese, von der man den Beweis verlangte, sondern eine andere Pflicht bewiesen | ||||||
| 27 | worden. - Was aber die Mehrheit der Beweise für einen und | ||||||
| 28 | denselben Satz betrifft, womit man sich tröstet, daß die Menge der Gründe | ||||||
| 29 | den Mangel am Gewicht eines jeden einzeln genommen ergänzen werde, | ||||||
| 30 | so ist dieses ein sehr unphilosophischer Behelf: weil er Hinterlist und Unredlichkeit | ||||||
| 31 | verräth - denn verschiedene unzureichende Gründe, neben | ||||||
| 32 | einander gestellt, ergänzen nicht der eine den Mangel des anderen zur | ||||||
| 33 | Gewißheit, ja nicht einmal zur Wahrscheinlichkeit. Sie müssen als Grund | ||||||
| 34 | und Folge in einer Reihe bis zum zureichenden Grunde fortschreiten | ||||||
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