Kant: AA VI, Die Metaphysik der Sitten. ... , Seite 399 |
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| 04 | Es sind solche moralische Beschaffenheiten, die, wenn man sie nicht | ||||||
| 05 | besitzt, es auch keine Pflicht geben kann sich in ihren Besitz zu setzen. | ||||||
| 06 | Sie sind das moralische Gefühl, das Gewissen, die Liebe des Nächsten | ||||||
| 07 | und die Achtung für sich selbst (Selbstschätzung), welche zu haben | ||||||
| 08 | es keine Verbindlichkeit giebt: weil sie als subjective Bedingungen der | ||||||
| 09 | Empfänglichkeit für den Pflichtbegriff, nicht als objective Bedingungen | ||||||
| 10 | der Moralität zum Grunde liegen. Sie sind insgesammt ästhetisch und | ||||||
| 11 | vorhergehende, aber natürliche Gemüthsanlagen ( praedispositio ) durch | ||||||
| 12 | Pflichtbegriffe afficirt zu werden; welche Anlagen zu haben nicht als Pflicht | ||||||
| 13 | angesehen werden kann, sondern die jeder Mensch hat und kraft deren er | ||||||
| 14 | verpflichtet werden kann. - Das Bewußtsein derselben ist nicht empirischen | ||||||
| 15 | Ursprungs, sondern kann nur auf das eines moralischen Gesetzes, | ||||||
| 16 | als Wirkung desselben aufs Gemüth, folgen. | ||||||
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| 19 | Dieses ist die Empfänglichkeit für Lust oder Unlust blos aus dem | ||||||
| 20 | Bewußtsein der Übereinstimmung oder des Widerstreits unserer Handlung | ||||||
| 21 | mit dem Pflichtgesetze. Alle Bestimmung der Willkür aber geht von | ||||||
| 22 | der Vorstellung der möglichen Handlung durch das Gefühl der Lust oder | ||||||
| 23 | Unlust, an ihr oder ihrer Wirkung ein Interesse zu nehmen, zur That; | ||||||
| 24 | wo der ästhetische Zustand (der Afficirung des inneren Sinnes) nun | ||||||
| 25 | entweder ein pathologisches oder moralisches Gefühl ist. - Das | ||||||
| 26 | erstere ist dasjenige Gefühl, welches vor der Vorstellung des Gesetzes vorhergeht, | ||||||
| 27 | das letztere das, was nur auf diese folgen kann. | ||||||
| 28 | Nun kann es keine Pflicht geben ein moralisches Gefühl zu haben, | ||||||
| 29 | oder sich ein solches zu erwerben; denn alles Bewußtsein der Verbindlichkeit | ||||||
| 30 | legt dieses Gefühl zum Grunde, um sich der Nöthigung, die im Pflichtbegriffe | ||||||
| 31 | liegt, bewußt zu werden: sondern ein jeder Mensch (als ein moralisches | ||||||
| 32 | Wesen) hat es ursprünglich in sich; die Verbindlichkeit aber kann | ||||||
| 33 | nur darauf gehen, es zu cultiviren und selbst durch die Bewunderung | ||||||
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