Kant: AA VI, Die Metaphysik der Sitten. ... , Seite 359 |
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| 01 | nie gesehene, allmählig aber wieder verschwindende, vielleicht einmal wiederkehrende | ||||||
| 02 | Erscheinung), oder bloß eine Sternschnuppe sei, das soll | ||||||
| 03 | jetzt untersucht werden. | ||||||
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| 06 | Etwas Äußeres als das Seine haben heißt es rechtlich besitzen; Besitz | ||||||
| 07 | aber ist die Bedingung der Möglichkeit des Gebrauchs. Wenn diese Bedingung | ||||||
| 08 | bloß als die physische gedacht wird, so heißt der Besitz Inhabung. | ||||||
| 09 | - Rechtmäßige Inhabung reicht nun zwar allein nicht zu, um deshalb | ||||||
| 10 | den Gegenstand für das Meine auszugeben, oder es dazu zu machen; | ||||||
| 11 | wenn ich aber, es sei, aus welchem Grunde es wolle, befugt bin auf die | ||||||
| 12 | Inhabung eines Gegenstandes zu dringen, der meiner Gewalt entwischt | ||||||
| 13 | oder entrissen ist, so ist dieser Rechtsbegriff ein Zeichen (wie Wirkung von | ||||||
| 14 | ihrer Ursache), daß ich mich für befugt halte ihn als das Meine, mich | ||||||
| 15 | aber auch als im intelligibelen Besitz desselben befindlich gegen ihn zu | ||||||
| 16 | verhalten und diesen Gegenstand so zu gebrauchen. | ||||||
| 17 | Das Seine bedeutet zwar hier nicht das des Eigenthums an der | ||||||
| 18 | Person eines anderen (denn Eigenthümer kann ein Mensch nicht einmal | ||||||
| 19 | von sich selbst, viel weniger von einer anderen Person sein), sondern nur | ||||||
| 20 | das Seine des Nießbrauchs ( ius utendi fruendi ), unmittelbar von dieser | ||||||
| 21 | Person gleich als von einer Sache, doch ohne Abbruch an ihrer Persönlichkeit, | ||||||
| 22 | als Mittel zu meinem Zweck Gebrauch zu machen. | ||||||
| 23 | Dieser Zweck aber, als Bedingung der Rechtmäßigkeit des Gebrauchs, | ||||||
| 24 | muß moralisch nothwendig sein. Der Mann kann weder das Weib begehren, | ||||||
| 25 | um es gleich als Sache zu genießen, d. i. unmittelbares Vergnügen | ||||||
| 26 | an der bloß thierischen Gemeinschaft mit demselben zu empfinden, | ||||||
| 27 | noch das Weib sich ihm dazu hingeben, ohne daß beide Theile ihre Persönlichkeit | ||||||
| 28 | aufgeben (fleischliche oder viehische Beiwohnung), d. i. ohne | ||||||
| 29 | unter der Bedingung der Ehe, welche, als wechselseitige Dahingebung | ||||||
| 30 | seiner Person selbst in den Besitz der anderen, vorher geschlossen werden | ||||||
| 31 | muß: um durch körperlichen Gebrauch, den ein Theil vom anderen macht, | ||||||
| 32 | sich nicht zu entmenschen. | ||||||
| 33 | Ohne diese Bedingung ist der fleischliche Genuß dem Grundsatz (wenn | ||||||
| 34 | gleich nicht immer der Wirkung nach) cannibalisch. Ob mit Maul | ||||||
| 35 | und Zähnen, oder der weibliche Theil durch Schwängerung und daraus | ||||||
| 36 | vielleicht erfolgende, für ihn tödtliche Niederkunft, der männliche aber durch | ||||||
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