Kant: AA VI, Die Metaphysik der Sitten. ... , Seite 261 |
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| 01 | einer Sache ist ein Recht des Privatgebrauchs einer Sache, in deren | ||||||
| 02 | (ursprünglichen, oder gestifteten) Gesammtbesitze ich mit allen andern bin. | ||||||
| 03 | Denn das Letztere ist die einzige Bedingung, unter der es allein möglich | ||||||
| 04 | ist, daß ich jeden anderen Besitzer vom Privatgebrauch der Sache ausschließe | ||||||
| 05 | ( ius contra quemlibet huius rei possessorem ), weil, ohne einen | ||||||
| 06 | solchen Gesammtbesitz vorauszusetzen, sich gar nicht denken läßt, wie ich, der | ||||||
| 07 | ich doch nicht im Besitz der Sache bin, von Andern, die es sind, und die | ||||||
| 08 | sie brauchen, lädirt werden könne. - Durch einseitige Willkür kann ich | ||||||
| 09 | keinen Andern verbinden, sich des Gebrauchs einer Sache zu enthalten, | ||||||
| 10 | wozu er sonst keine Verbindlichkeit haben würde: also nur durch vereinigte | ||||||
| 11 | Willkür Aller in einem Gesammtbesitz. Sonst müßte ich mir ein Recht in | ||||||
| 12 | einer Sache so denken: als ob die Sache gegen mich eine Verbindlichkeit | ||||||
| 13 | hätte, und davon allererst das Recht gegen jeden Besitzer derselben ableiten; | ||||||
| 14 | welches eine ungereimte Vorstellungsart ist. | ||||||
| 15 | Unter dem Wort: Sachenrecht ( ius reale ) wird übrigens nicht bloß | ||||||
| 16 | das Recht in einer Sache ( ius in re ), sondern auch der Inbegriff aller | ||||||
| 17 | Gesetze, die das dingliche Mein und Dein betreffen, verstanden. - Es ist | ||||||
| 18 | aber klar, daß ein Mensch, der auf Erden ganz allein wäre, eigentlich kein | ||||||
| 19 | äußeres Ding als das Seine haben oder erwerben könnte: weil zwischen | ||||||
| 20 | ihm als Person und allen anderen äußeren Dingen als Sachen es gar | ||||||
| 21 | kein Verhältniß der Verbindlichkeit giebt. Es giebt also, eigentlich und | ||||||
| 22 | buchstäblich verstanden, auch kein (directes) Recht in einer Sache, sondern | ||||||
| 23 | nur dasjenige wird so genannt, was jemanden gegen eine Person zukommt, | ||||||
| 24 | die mit allen Anderen (im bürgerlichen Zustande) im gemeinsamen | ||||||
| 25 | Besitz ist. | ||||||
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| 29 | Der Boden (unter welchem alles bewohnbare Land verstanden wird) | ||||||
| 30 | ist in Ansehung alles Beweglichen auf demselben als Substanz, die | ||||||
| 31 | Existenz des Letzteren aber nur als Inhärenz zu betrachten, und so wie | ||||||
| 32 | im theoretischen Sinne die Accidenzen nicht außerhalb der Substanz existiren | ||||||
| 33 | können, so kann im praktischen das Bewegliche auf dem Boden nicht | ||||||
| 34 | das Seine von jemanden sein, wenn dieser nicht vorher als im rechtlichen | ||||||
| 35 | Besitz desselben befindlich (als das Seine desselben) angenommen wird. | ||||||
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