Kant: AA V, Kritik der Urtheilskraft ... , Seite 484 |
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Text (Kant):
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| 01 | denken; aber dadurch sind wir gar nicht befugt, ihr diesen beizulegen | ||||||
| 02 | (wie z. B. die Ewigkeit Gottes als Dasein zu aller Zeit zu denken, weil | ||||||
| 03 | wir uns sonst gar keinen Begriff vom bloßen Dasein als einer Größe, | ||||||
| 04 | d. i. als Dauer, machen können; oder die göttliche Allgegenwart als Dasein | ||||||
| 05 | in allen Orten zu denken, um die unmittelbare Gegenwart für Dinge | ||||||
| 06 | außer einander uns faßlich zu machen, ohne gleichwohl eine dieser Bestimmungen | ||||||
| 07 | Gott als etwas an ihm Erkanntes beilegen zu dürfen). Wenn | ||||||
| 08 | ich die Causalität des Menschen in Ansehung gewisser Producte, welche | ||||||
| 09 | nur durch absichtliche Zweckmäßigkeit erklärlich sind, dadurch bestimme, | ||||||
| 10 | daß ich sie als einen Verstand desselben denke: so brauche ich nicht dabei | ||||||
| 11 | stehen zu bleiben, sondern kann ihm dieses Prädicat als wohlbekannte | ||||||
| 12 | Eigenschaft desselben beilegen und ihn dadurch erkennen. Denn ich weiß, | ||||||
| 13 | daß Anschauungen den Sinnen des Menschen gegeben und durch den Verstand | ||||||
| 14 | unter einen Begriff und hiemit unter eine Regel gebracht werden; | ||||||
| 15 | daß dieser Begriff nur das gemeinsame Merkmal (mit Weglassung des | ||||||
| 16 | Besondern) enthalte und also discursiv sei; daß die Regeln, um gegebene | ||||||
| 17 | Vorstellungen unter ein Bewußtsein überhaupt zu bringen, von ihm noch | ||||||
| 18 | vor jenen Anschauungen gegeben werden, u. s. w.: ich lege also diese Eigenschaft | ||||||
| 19 | dem Menschen bei als eine solche, wodurch ich ihn erkenne. Will | ||||||
| 20 | ich nun aber ein übersinnliches Wesen (Gott) als Intelligenz denken, | ||||||
| 21 | so ist dieses in gewisser Rücksicht meines Vernunftgebrauchs nicht allein | ||||||
| 22 | erlaubt, sondern auch unvermeidlich; aber ihm Verstand beizulegen und | ||||||
| 23 | es dadurch als durch eine Eigenschaft desselben erkennen zu können, sich | ||||||
| 24 | schmeicheln, ist keineswegs erlaubt: weil ich alsdann alle jene Bedingungen, | ||||||
| 25 | unter denen ich allein einen Verstand kenne, weglassen muß, mithin | ||||||
| 26 | das Prädicat, das nur zur Bestimmung des Menschen dient, auf ein übersinnliches | ||||||
| 27 | Object gar nicht bezogen werden kann, und also durch eine so | ||||||
| 28 | bestimmte Causalität, was Gott sei, gar nicht erkannt werden kann. Und | ||||||
| 29 | so geht es mit allen Kategorien, die gar keine Bedeutung zum Erkenntniß | ||||||
| 30 | in theoretischer Rücksicht haben können, wenn sie nicht auf Gegenstände | ||||||
| 31 | möglicher Erfahrung angewandt werden. - Aber nach der Analogie mit | ||||||
| 32 | einem Verstande kann ich, ja muß ich mir wohl in gewisser anderer Rücksicht | ||||||
| 33 | selbst ein übersinnliches Wesen denken, ohne es gleichwohl dadurch | ||||||
| 34 | theoretisch erkennen zu wollen; wenn nämlich diese Bestimmung seiner | ||||||
| 35 | Causalität eine Wirkung in der Welt betrifft, die eine moralisch=nothwendige, | ||||||
| 36 | aber für Sinnenwesen unausführbare Absicht enthält: da alsdann | ||||||
| 37 | ein Erkenntniß Gottes und seines Daseins (Theologie) durch bloß nach | ||||||
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