Kant: AA V, Kritik der Urtheilskraft ... , Seite 392

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 werden muß (weil sie von einem Urwesen, aber nicht von seinem      
  02 Verstande, mithin keiner Absicht desselben, sondern aus der Nothwendigkeit      
  03 seiner Natur und der davon abstammenden Welteinheit abgeleitet      
  04 wird), mithin der Fatalismus der Zweckmäßigkeit zugleich ein Idealism      
  05 derselben ist.      
           
  06 2) Der Realism der Zweckmäßigkeit der Natur ist auch entweder      
  07 physisch oder hyperphysisch. Der erste gründet die Zwecke in der Natur      
  08 auf dem Analogon eines nach Absicht handelnden Vermögens, dem Leben      
  09 der Materie (in ihr, oder auch durch ein belebendes inneres Princip,      
  10 eine Weltseele) und heißt der Hylozoism. Der zweite leitet sie von dem      
  11 Urgrunde des Weltalls, als einem mit Absicht hervorbringenden (ursprünglich      
  12 lebenden) verständigen Wesen ab und ist der Theism.*)      
           
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§ 73.

     
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Keines der obigen Systeme leistet das, was es vorgiebt.

     
           
  15 Was wollen alle jene Systeme? Sie wollen unsere teleologischen      
  16 Urtheile über die Natur erklären und gehen damit so zu Werke, daß ein      
  17 Theil die Wahrheit derselben läugnet, mithin sie für einen Idealism der      
  18 Natur (als Kunst vorgestellt) erklärt; der andere Theil sie als wahr anerkennt      
  19 und die Möglichkeit einer Natur nach der Idee der Endursachen      
  20 darzuthun verspricht.      
           
  21 1) Die für den Idealism der Endursachen in der Natur streitenden      
  22 Systeme lassen nun einerseits zwar an dem Princip derselben eine Causalität      
  23 nach Bewegungsgesetzen zu (durch welche die Naturdinge zweckmäßig      
  24 existiren); aber sie läugnen an ihr die Intentionalität, d. i.      
           
    *)Man sieht hieraus: daß in den meisten speculativen Dingen der reinen Vernunft, was die dogmatischen Behauptungen betrifft, die philosophischen Schulen gemeiniglich alle Auflösungen, die über eine gewisse Frage möglich sind, versucht haben. So hat man über die Zweckmäßigkeit der Natur bald entweder die leblose Materie, oder einen leblosen Gott, bald eine lebende Materie, oder auch einen lebendigen Gott zu diesem Behufe versucht. Für uns bleibt nichts übrig, als, wenn es Noth thun sollte, von allen diesen objectiven Behauptungen abzugehen und unser Urtheil bloß in Beziehung auf unsere Erkenntnißvermögen kritisch zu erwägen, um ihrem Princip eine, wo nicht dogmatische, doch zum sichern Vernunftgebrauch hinreichende Gültigkeit einer Maxime zu verschaffen.      
           
     

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