Kant: AA V, Kritik der Urtheilskraft ... , Seite 253 |
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| 01 | führt (z. B. Thieren von bekannter Naturbestimmung), sondern an der | ||||||
| 02 | rohen Natur (und an dieser sogar nur, sofern sie für sich keinen Reiz, oder | ||||||
| 03 | Rührung aus wirklicher Gefahr bei sich führt), bloß sofern sie Größe enthält, | ||||||
| 04 | aufzeigen müsse. Denn in dieser Art der Vorstellung enthält die | ||||||
| 05 | Natur nichts, was ungeheuer (noch was prächtig oder gräßlich) wäre; die | ||||||
| 06 | Größe, die aufgefaßt wird, mag so weit angewachsen sein, als man will, | ||||||
| 07 | wenn sie nur durch Einbildungskraft in ein Ganzes zusammengefaßt werden | ||||||
| 08 | kann. Ungeheuer ist ein Gegenstand, wenn er durch seine Größe | ||||||
| 09 | den Zweck, der den Begriff desselben ausmacht, vernichtet. Kolossalisch | ||||||
| 10 | aber wird die bloße Darstellung eines Begriffs genannt, der für alle | ||||||
| 11 | Darstellung beinahe zu groß ist (an das relativ Ungeheure gränzt): weil | ||||||
| 12 | der Zweck der Darstellung eines Begriffs dadurch, daß die Anschauung | ||||||
| 13 | des Gegenstandes für unser Auffassungsvermögen beinahe zu groß ist, | ||||||
| 14 | erschwert wird. - Ein reines Urtheil über das Erhabene aber muß gar | ||||||
| 15 | keinen Zweck des Objects zum Bestimmungsgrunde haben, wenn es ästhetisch | ||||||
| 16 | und nicht mit irgend einem Verstandes= oder Vernunfturtheile vermengt | ||||||
| 17 | sein soll. | ||||||
| 18 | Weil alles, was der bloß reflectirenden Urtheilskraft ohne Interesse | ||||||
| 19 | gefallen soll, in seiner Vorstellung subjective und als solche allgemein=gültige | ||||||
| 20 | Zweckmäßigkeit bei sich führen muß, gleichwohl aber hier keine Zweckmäßigkeit | ||||||
| 21 | der Form des Gegenstandes (wie beim Schönen) der Beurtheilung | ||||||
| 22 | zum Grunde liegt, so fragt sich: welches ist diese subjective | ||||||
| 23 | Zweckmäßigkeit? und wodurch wird sie als Norm vorgeschrieben, um in | ||||||
| 24 | der bloßen Größenschätzung und zwar der, welche gar bis zur Unangemessenheit | ||||||
| 25 | unseres Vermögens der Einbildungskraft in Darstellung des | ||||||
| 26 | Begriffs von einer Größe getrieben worden, einen Grund zum allgemein | ||||||
| 27 | gültigen Wohlgefallen abzugeben? | ||||||
| 28 | Die Einbildungskraft schreitet in der Zusammensetzung, die zur | ||||||
| 29 | Größenvorstellung erforderlich ist, von selbst, ohne daß ihr etwas hinderlich | ||||||
| 30 | wäre, ins Unendliche fort; der Verstand aber leitet sie durch Zahlbegriffe, | ||||||
| 31 | wozu jene das Schema hergeben muß: und in diesem Verfahren, | ||||||
| 32 | als zur logischen Größenschätzung gehörig, ist zwar etwas objectiv Zweckmäßiges | ||||||
| 33 | nach dem Begriffe von einem Zwecke (dergleichen jede Ausmessung | ||||||
| 34 | ist), aber nichts für die ästhetische Urtheilskraft Zweckmäßiges und Gefallendes. | ||||||
| 35 | Es ist auch in dieser absichtlichen Zweckmäßigkeit nichts, was | ||||||
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