Kant: AA V, Kritik der Urtheilskraft ... , Seite 212 |
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| 01 | nicht verbunden ist). Folglich muß dem Geschmacksurtheile | ||||||
| 02 | mit dem Bewußtsein der Absonderung in demselben von allem Interesse | ||||||
| 03 | ein Anspruch auf Gültigkeit für jedermann ohne auf Objecte gestellte | ||||||
| 04 | Allgemeinheit anhängen, d. i. es muß damit ein Anspruch auf | ||||||
| 05 | subjective Allgemeinheit verbunden sein. | ||||||
| 06 | § 7. |
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| 07 | Vergleichung des Schönen mit dem Angenehmen und Guten |
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| 08 | durch obiges Merkmal. |
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| 09 | In Ansehung des Angenehmen bescheidet sich ein jeder: daß sein | ||||||
| 10 | Urtheil, welches er auf ein Privatgefühl gründet, und wodurch er von | ||||||
| 11 | einem Gegenstande sagt, daß er ihm gefalle, sich auch bloß auf seine Person | ||||||
| 12 | einschränke. Daher ist er es gern zufrieden, daß, wenn er sagt: der Canariensect | ||||||
| 13 | ist angenehm, ihm ein anderer den Ausdruck verbessere und ihn | ||||||
| 14 | erinnere, er solle sagen: er ist mir angenehm; und so nicht allein im Geschmack | ||||||
| 15 | der Zunge, des Gaumens und des Schlundes, sondern auch in dem, | ||||||
| 16 | was für Augen und Ohren jedem angenehm sein mag. Dem einen ist die | ||||||
| 17 | violette Farbe sanft und lieblich, dem andern todt und erstorben. Einer | ||||||
| 18 | liebt den Ton der Blasinstrumente, der andre den von den Saiteninstrumenten. | ||||||
| 19 | Darüber in der Absicht zu streiten, um das Urtheil anderer, | ||||||
| 20 | welches von dem unsrigen verschieden ist, gleich als ob es diesem logisch | ||||||
| 21 | entgegen gesetzt wäre, für unrichtig zu schelten, wäre Thorheit; in Ansehung | ||||||
| 22 | des Angenehmen gilt also der Grundsatz: ein jeder hat seinen | ||||||
| 23 | eigenen Geschmack (der Sinne). | ||||||
| 24 | Mit dem Schönen ist es ganz anders bewandt. Es wäre (gerade umgekehrt) | ||||||
| 25 | lächerlich, wenn jemand, der sich auf seinen Geschmack etwas einbildete, | ||||||
| 26 | sich damit zu rechtfertigen gedächte: dieser Gegenstand (das Gebäude, | ||||||
| 27 | was wir sehen, das Kleid, was jener trägt, das Concert, was wir | ||||||
| 28 | hören, das Gedicht, welches zur Beurtheilung aufgestellt ist) ist für mich | ||||||
| 29 | schön. Denn er muß es nicht schön nennen, wenn es bloß ihm gefällt. | ||||||
| 30 | Reiz und Annehmlichkeit mag für ihn vieles haben, darum bekümmert sich | ||||||
| 31 | niemand; wenn er aber etwas für schön ausgiebt, so muthet er andern | ||||||
| 32 | eben dasselbe Wohlgefallen zu: er urtheilt nicht bloß für sich, sondern für | ||||||
| 33 | jedermann und spricht alsdann von der Schönheit, als wäre sie eine Eigenschaft | ||||||
| 34 | der Dinge. Er sagt daher: die Sache ist schön, und rechnet nicht | ||||||
| 35 | etwa darum auf Anderer Einstimmung in sein Urtheil des Wohlgefallens, | ||||||
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