Kant: AA V, Kritik der Urtheilskraft ... , Seite 184 |
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| 01 | denkbare gesetzliche Einheit in der Verbindung ihres Mannigfaltigen zu | ||||||
| 02 | einer an sich möglichen Erfahrung enthalte. Folglich, weil die gesetzliche | ||||||
| 03 | Einheit in einer Verbindung, die wir zwar einer nothwendigen Absicht | ||||||
| 04 | (einem Bedürfniß des Verstandes) gemäß, aber zugleich doch als an sich | ||||||
| 05 | zufällig erkennen, als Zweckmäßigkeit der Objecte (hier der Natur) vorgestellt | ||||||
| 06 | wird: so muß die Urtheilskraft, die in Ansehung der Dinge unter | ||||||
| 07 | möglichen (noch zu entdeckenden) empirischen Gesetzen bloß reflectirend | ||||||
| 08 | ist, die Natur in Ansehung der letzteren nach einem Princip der | ||||||
| 09 | Zweckmäßigkeit für unser Erkenntnißvermögen denken, welches dann | ||||||
| 10 | in obigen Maximen der Urtheilskraft ausgedrückt wird. Dieser transscendentale | ||||||
| 11 | Begriff einer Zweckmäßigkeit der Natur ist nun weder ein | ||||||
| 12 | Naturbegriff, noch ein Freiheitsbegriff, weil er gar nichts dem Objecte | ||||||
| 13 | (der Natur) beilegt, sondern nur die einzige Art, wie wir in der Reflexion | ||||||
| 14 | über die Gegenstände der Natur in Absicht auf eine durchgängig zusammenhängende | ||||||
| 15 | Erfahrung verfahren müssen, vorstellt, folglich ein subjectives | ||||||
| 16 | Princip (Maxime) der Urtheilskraft; daher wir auch, gleich als | ||||||
| 17 | ob es ein glücklicher unsre Absicht begünstigender Zufall wäre, erfreuet | ||||||
| 18 | (eigentlich eines Bedürfnisses entledigt) werden, wenn wir eine solche | ||||||
| 19 | systematische Einheit unter bloß empirischen Gesetzen antreffen: ob wir | ||||||
| 20 | gleich nothwendig annehmen mußten, es sei eine solche Einheit, ohne daß | ||||||
| 21 | wir sie doch einzusehen und zu beweisen vermochten. | ||||||
| 22 | Um sich von der Richtigkeit dieser Deduction des vorliegenden Begriffs | ||||||
| 23 | und der Nothwendigkeit ihn als transscendentales Erkenntnißprincip | ||||||
| 24 | anzunehmen zu überzeugen, bedenke man nur die Größe der | ||||||
| 25 | Aufgabe: aus gegebenen Wahrnehmungen einer allenfalls unendliche | ||||||
| 26 | Mannigfaltigkeit empirischer Gesetze enthaltenden Natur eine zusammenhängende | ||||||
| 27 | Erfahrung zu machen, welche Aufgabe a priori in unserm | ||||||
| 28 | Verstande liegt. Der Verstand ist zwar a priori im Besitze allgemeiner | ||||||
| 29 | Gesetze der Natur, ohne welche sie gar kein Gegenstand einer Erfahrung | ||||||
| 30 | sein könnte: aber er bedarf doch auch überdem noch einer gewissen Ordnung | ||||||
| 31 | der Natur in den besonderen Regeln derselben, die ihm nur empirisch | ||||||
| 32 | bekannt werden können, und die in Ansehung seiner zufällig sind. | ||||||
| 33 | Diese Regeln, ohne welche kein Fortgang von der allgemeinen Analogie | ||||||
| 34 | einer möglichen Erfahrung überhaupt zur besonderen Statt finden würde, | ||||||
| 35 | muß er sich als Gesetze (d. i. als nothwendig) denken: weil sie sonst keine | ||||||
| 36 | Naturordnung ausmachen würden, ob er gleich ihre Nothwendigkeit nicht | ||||||
| 37 | erkennt, oder jemals einsehen könnte. Ob er also gleich in Ansehung derselben | ||||||
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