Kant: AA V, Kritik der praktischen ... , Seite 136 |
|||||||
Zeile:
|
Text (Kant):
|
|
|
||||
| 01 | oder scheinbare Erweiterung jener Begriffe durch vermeinte Erfahrung, | ||||||
| 02 | andererseits den Fanaticism, der sie durch übersinnliche Anschauung | ||||||
| 03 | oder dergleichen Gefühle verspricht, abzuhalten; welches alles Hindernisse | ||||||
| 04 | des praktischen Gebrauchs der reinen Vernunft sind, deren Abwehrung | ||||||
| 05 | also zu der Erweiterung unserer Erkenntniß in praktischer Absicht allerdings | ||||||
| 06 | gehört, ohne daß es dieser widerspricht, zugleich zu gestehen, daß | ||||||
| 07 | die Vernunft in speculativer Absicht dadurch im mindesten nichts gewonnen | ||||||
| 08 | habe. | ||||||
| 09 | Zu jedem Gebrauche der Vernunft in Ansehung eines Gegenstandes | ||||||
| 10 | werden reine Verstandesbegriffe (Kategorien) erfordert, ohne die kein | ||||||
| 11 | Gegenstand gedacht werden kann. Diese können zum theoretischen Gebrauche | ||||||
| 12 | der Vernunft, d. i. zu dergleichen Erkenntniß, nur angewandt | ||||||
| 13 | werden, so fern ihnen zugleich Anschauung (die jederzeit sinnlich ist) untergelegt | ||||||
| 14 | wird, und also blos, um durch sie ein Object möglicher Erfahrung | ||||||
| 15 | vorzustellen. Nun sind hier aber Ideen der Vernunft, die in gar keiner | ||||||
| 16 | Erfahrung gegeben werden können, das, was ich durch Kategorien denken | ||||||
| 17 | müßte, um es zu erkennen. Allein es ist hier auch nicht um das theoretische | ||||||
| 18 | Erkenntniß der Objecte dieser Ideen, sondern nur darum, daß sie | ||||||
| 19 | überhaupt Objecte haben, zu thun. Diese Realität verschafft reine praktische | ||||||
| 20 | Vernunft, und hiebei hat die theoretische Vernunft nichts weiter zu | ||||||
| 21 | thun, als jene Objecte durch Kategorien blos zu denken, welches, wie | ||||||
| 22 | wir sonst deutlich gewiesen haben, ganz wohl, ohne Anschauung (weder | ||||||
| 23 | sinnliche, noch übersinnliche) zu bedürfen, angeht, weil die Kategorien im | ||||||
| 24 | reinen Verstande unabhängig und vor aller Anschauung, lediglich als | ||||||
| 25 | dem Vermögen zu denken, ihren Sitz und Ursprung haben, und sie immer | ||||||
| 26 | nur ein Object überhaupt bedeuten, auf welche Art es uns auch immer | ||||||
| 27 | gegeben werden mag. Nun ist den Kategorien, so fern sie auf jene | ||||||
| 28 | Ideen angewandt werden sollen, zwar kein Object in der Anschauung zu | ||||||
| 29 | geben möglich; es ist ihnen aber doch, daß ein solches wirklich sei, | ||||||
| 30 | mithin die Kategorie als eine bloße Gedankenform hier nicht leer sei, sondern | ||||||
| 31 | Bedeutung habe, durch ein Object, welches die praktische Vernunft | ||||||
| 32 | im Begriffe des höchsten Guts ungezweifelt darbietet, die Realität der | ||||||
| 33 | Begriffe, die zum Behuf der Möglichkeit des höchsten Guts gehören, | ||||||
| 34 | hinreichend gesichert, ohne gleichwohl durch diesen Zuwachs die mindeste | ||||||
| 35 | Erweiterung des Erkenntnisses nach theoretischen Grundsätzen zu bewirken. | ||||||
| [ Seite 135 ] [ Seite 137 ] [ Inhaltsverzeichnis ] |
|||||||