Kant: AA V, Kritik der praktischen ... , Seite 058 |
|||||||
Zeile:
|
Text (Kant):
|
|
|
||||
| 01 | Vermögen ganz unabhängig, und die Frage ist nur, ob wir eine Handlung, | ||||||
| 02 | die auf die Existenz eines Objects gerichtet ist, wollen dürfen, | ||||||
| 03 | wenn dieses in unserer Gewalt wäre, mithin muß die moralische Möglichkeit | ||||||
| 04 | der Handlung vorangehen; denn da ist nicht der Gegenstand, sondern | ||||||
| 05 | das Gesetz des Willens der Bestimmungsgrund derselben. | ||||||
| 06 | Die alleinigen Objecte einer praktischen Vernunft sind also die vom | ||||||
| 07 | Guten und Bösen. Denn durch das erstere versteht man einen nothwendigen | ||||||
| 08 | Gegenstand des Begehrungs=, durch das zweite des Verabscheuungsvermögens, | ||||||
| 09 | beides aber nach einem Princip der Vernunft. | ||||||
| 10 | Wenn der Begriff des Guten nicht von einem vorhergehenden praktischen | ||||||
| 11 | Gesetze abgeleitet werden, sondern diesem vielmehr zum Grunde | ||||||
| 12 | dienen soll, so kann er nur der Begriff von etwas sein, dessen Existenz Lust | ||||||
| 13 | verheißt und so die Causalität des Subjects zur Hervorbringung desselben, | ||||||
| 14 | d. i. das Begehrungsvermögen, bestimmt. Weil es nun unmöglich ist | ||||||
| 15 | a priori einzusehen, welche Vorstellung mit Lust, welche hingegen mit | ||||||
| 16 | Unlust werde begleitet sein, so käme es lediglich auf Erfahrung an, es | ||||||
| 17 | auszumachen, was unmittelbar gut oder böse sei. Die Eigenschaft des | ||||||
| 18 | Subjects, worauf in Beziehung diese Erfahrung allein angestellt werden | ||||||
| 19 | kann, ist das Gefühl der Lust und Unlust, als eine dem inneren Sinne | ||||||
| 20 | angehörige Receptivität, und so würde der Begriff von dem, was unmittelbar | ||||||
| 21 | gut ist, nur auf das gehen, womit die Empfindung des Vergnügens | ||||||
| 22 | unmittelbar verbunden ist, und der von dem schlechthin Bösen | ||||||
| 23 | auf das, was unmittelbar Schmerz erregt, allein bezogen werden müssen. | ||||||
| 24 | Weil aber das dem Sprachgebrauche schon zuwider ist, der das Angenehme | ||||||
| 25 | vom Guten, das Unangenehme vom Bösen unterscheidet | ||||||
| 26 | und verlangt, daß Gutes und Böses jederzeit durch Vernunft, mithin | ||||||
| 27 | durch Begriffe, die sich allgemein mittheilen lassen, und nicht durch bloße | ||||||
| 28 | Empfindung, welche sich auf einzelne Subjecte und deren Empfänglichkeit | ||||||
| 29 | einschränkt, beurtheilt werde, gleichwohl aber für sich selbst mit keiner | ||||||
| 30 | Vorstellung eines Objects a priori eine Lust oder Unlust unmittelbar verbunden | ||||||
| 31 | werden kann, so würde der Philosoph, der sich genöthigt glaubte, | ||||||
| 32 | ein Gefühl der Lust seiner praktischen Beurtheilung zum Grunde zu legen, | ||||||
| 33 | gut nennen, was ein Mittel zum Angenehmen, und Böses, was Ursache | ||||||
| 34 | der Unannehmlichkeit und des Schmerzens ist; denn die Beurtheilung | ||||||
| 35 | des Verhältnisses der Mittel zu Zwecken gehört allerdings zur Vernunft. | ||||||
| 36 | Obgleich aber Vernunft allein vermögend ist, die Verknüpfung der Mittel | ||||||
| 37 | mit ihren Absichten einzusehen (so daß man auch den Willen durch das | ||||||
| [ Seite 057 ] [ Seite 059 ] [ Inhaltsverzeichnis ] |
|||||||