Kant: AA V, Kritik der praktischen ... , Seite 022 |
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| 01 | Nothwendigkeit, die a priori erkannt werden muß, mangelt) nicht zum | ||||||
| 02 | Gesetze dienen kann, so kann ein solches Princip niemals ein praktisches | ||||||
| 03 | Gesetz abgeben. | ||||||
| 04 | § 3. |
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| 05 | Lehrsatz II |
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| 06 | Alle materiale praktische Principien sind, als solche, insgesammt von | ||||||
| 07 | einer und derselben Art und gehören unter das allgemeine Princip der | ||||||
| 08 | Selbstliebe oder eigenen Glückseligkeit. | ||||||
| 09 | Die Lust aus der Vorstellung der Existenz einer Sache, so fern sie ein | ||||||
| 10 | Bestimmungsgrund des Begehrens dieser Sache sein soll, gründet sich | ||||||
| 11 | auf der Empfänglichkeit des Subjects, weil sie von dem Dasein eines | ||||||
| 12 | Gegenstandes abhängt; mithin gehört sie dem Sinne (Gefühl) und nicht | ||||||
| 13 | dem Verstande an, der eine Beziehung der Vorstellung auf ein Object | ||||||
| 14 | nach Begriffen, aber nicht auf das Subject nach Gefühlen ausdrückt. Sie | ||||||
| 15 | ist also nur so fern praktisch, als die Empfindung der Annehmlichkeit, die | ||||||
| 16 | das Subject von der Wirklichkeit des Gegenstandes erwartet, das Begehrungsvermögen | ||||||
| 17 | bestimmt. Nun ist aber das Bewußtsein eines vernünftigen | ||||||
| 18 | Wesens von der Annehmlichkeit des Lebens, die ununterbrochen | ||||||
| 19 | sein ganzes Dasein begleitet, die Glückseligkeit, und das Princip, diese | ||||||
| 20 | sich zum höchsten Bestimmungsgrunde der Willkür zu machen, das Princip | ||||||
| 21 | der Selbstliebe. Also sind alle materiale Principien, die den Bestimmungsgrund | ||||||
| 22 | der Willkür in der aus irgend eines Gegenstandes Wirklichkeit | ||||||
| 23 | zu empfindenden Lust oder Unlust setzen, so fern gänzlich von | ||||||
| 24 | einerlei Art, daß sie insgesammt zum Princip der Selbstliebe oder | ||||||
| 25 | eigenen Glückseligkeit gehören. | ||||||
| 26 | Folgerung. |
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| 27 | Alle materiale praktische Regeln setzen den Bestimmungsgrund des | ||||||
| 28 | Willens im unteren Begehrungsvermögen, und, gäbe es gar keine | ||||||
| 29 | blos formale Gesetze desselben, die den Willen hinreichend bestimmten, | ||||||
| 30 | so würde auch kein oberes Begehrungsvermögen eingeräumt werden | ||||||
| 31 | können. | ||||||
| 32 | Anmerkung I |
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| 33 | Man muß sich wundern, wie sonst scharfsinnige Männer einen Unterschied | ||||||
| 34 | zwischen dem unteren und oberen Begehrungsvermögen darin zu finden | ||||||
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