Kant: AA IV, Metaphysische Anfangsgründe ... , Seite 477

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 die zu ihrer Natur gehören, zurück, und so ist die Naturwissenschaft      
  02 durchgängig eine entweder reine oder angewandte Bewegungslehre.      
  03 Die metaphysischen Anfangsgründe der Naturwissenschaft sind also      
  04 unter vier Hauptstücke zu bringen, deren erstes die Bewegung als ein      
  05 reines Quantum nach seiner Zusammensetzung ohne alle Qualität des      
  06 Beweglichen betrachtet und Phoronomie genannt werden kann, das      
  07 zweite sie als zur Qualität der Materie gehörig unter dem Namen einer      
  08 ursprünglich bewegenden Kraft in Erwägung zieht und daher Dynamik      
  09 heißt, das dritte die Materie mit dieser Qualität durch ihre eigene Bewegung      
  10 gegen einander in Relation betrachtet und unter dem Namen      
  11 Mechanik vorkommt, das vierte aber ihre Bewegung oder Ruhe blos in      
  12 Beziehung auf die Vorstellungsart oder Modalität, mithin als Erscheinung      
  13 äußerer Sinne bestimmt und Phänomenologie genannt wird.      
           
  14 Aber außer jener inneren Nothwendigkeit, die metaphysischen Anfangsgründe      
  15 der Körperlehre nicht allein von der Physik, welche empirische      
  16 Principien braucht, sondern selbst von den rationalen Prämissen derselben,      
  17 die den Gebrauch der Mathematik in ihr betreffen, abzusondern, ist noch      
  18 ein äußerer zwar nur zufälliger, aber gleich wohl wichtiger Grund da, ihre      
  19 ausführliche Bearbeitung von dem allgemeinen System der Metaphysik      
  20 abzutrennen und sie als ein besonderes Ganze systematisch darzustellen.      
  21 Denn wenn es erlaubt ist, die Grenzen einer Wissenschaft nicht blos nach      
  22 der Beschaffenheit des Objects und der specifischen Erkenntnißart desselben,      
  23 sondern auch nach dem Zwecke, den man mit der Wissenschaft selbst zum      
  24 anderweitigen Gebrauche vor Augen hat, zu zeichnen, und man findet, daß      
  25 Metaphysik so viel Köpfe bisher nicht darum beschäftigt hat und sie ferner      
  26 beschäftigen wird, um Naturkenntnisse dadurch zu erweitern (welches viel      
  27 leichter und sicherer durch Beobachtung, Experiment und Anwendung der      
  28 Mathematik auf äußere Erscheinungen geschieht), sondern um zur Erkenntniß      
  29 dessen, was gänzlich über alle Grenzen der Erfahrung hinausliegt,      
  30 von Gott, Freiheit und Unsterblichkeit, zu gelangen: so gewinnt man in      
  31 Beförderung dieser Absicht, wenn man sie von einem zwar aus ihrer Wurzel      
  32 sprossenden, aber doch ihrem regelmäßigen Wuchse nur hinderlichen      
  33 Sprößlinge befreiet, diesen besonders pflanzt, ohne dennoch dessen Abstammung      
  34 aus jener zu verkennen und sein völliges Gewächs aus dem      
  35 System der allgemeinen Metaphysik wegzulassen. Dieses thut der Vollständigkeit      
  36 der letzteren keinen Abbruch und erleichtert doch den gleichförmigen      
  37 Gang dieser Wissenschaft zu ihrem Zwecke, wenn man in allen Fällen,      
           
     

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