Kant: AA IV, Grundlegung zur Metaphysik der ... , Seite 444 |
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| 01 | Allenthalben, wo ein Object des Willens zum Grunde gelegt werden | ||||||
| 02 | muß, um diesem die Regel vorzuschreiben, die ihn bestimme, da ist die | ||||||
| 03 | Regel nichts als Heteronomie; der Imperativ ist bedingt, nämlich: wenn | ||||||
| 04 | oder weil man dieses Object will, soll man so oder so handeln; mithin | ||||||
| 05 | kann er niemals moralisch, d. i. kategorisch, gebieten. Es mag nun das | ||||||
| 06 | Object vermittelst der Neigung, wie beim Princip der eigenen Glückseligkeit, | ||||||
| 07 | oder vermittelst der auf Gegenstände unseres möglichen Wollens überhaupt | ||||||
| 08 | gerichteten Vernunft, im Princip der Vollkommenheit, den Willen | ||||||
| 09 | bestimmen, so bestimmt sich der Wille niemals unmittelbar selbst durch | ||||||
| 10 | die Vorstellung der Handlung, sondern nur durch die Triebfeder, welche | ||||||
| 11 | die vorausgesehene Wirkung der Handlung auf den Willen hat; ich soll | ||||||
| 12 | etwas thun, darum weil ich etwas anderes will, und hier mu | ||||||
| 13 | noch ein anderes Gesetz in meinem Subject zum Grunde gelegt werden, | ||||||
| 14 | nach welchem ich dieses Andere nothwendig will, welches Gesetz wiederum | ||||||
| 15 | eines Imperativs bedarf, der diese Maxime einschränke. Denn weil der | ||||||
| 16 | Antrieb, den die Vorstellung eines durch unsere Kräfte möglichen Objects | ||||||
| 17 | nach der Naturbeschaffenheit des Subjects auf seinen Willen ausüben soll, | ||||||
| 18 | zur Natur des Subjects gehört, es sei der Sinnlichkeit (der Neigung und | ||||||
| 19 | des Geschmacks) oder des Verstandes und der Vernunft, die nach der besonderen | ||||||
| 20 | Einrichtung ihrer Natur an einem Objecte sich mit Wohlgefallen | ||||||
| 21 | üben, so gäbe eigentlich die Natur das Gesetz, welches als ein solches nicht | ||||||
| 22 | allein durch Erfahrung erkannt und bewiesen werden muß, mithin an sich | ||||||
| 23 | zufällig ist und zur apodiktischen praktischen Regel, dergleichen die moralische | ||||||
| 24 | sein muß, dadurch untauglich wird, sondern es ist immer nur | ||||||
| 25 | Heteronomie des Willens, der Wille giebt sich nicht selbst, sondern ein | ||||||
| 26 | fremder Antrieb giebt ihm vermittelst einer auf die Empfänglichkeit desselben | ||||||
| 27 | gestimmten Natur des Subjects das Gesetz. | ||||||
| 28 | Der schlechterdings gute Wille, dessen Princip ein kategorischer Imperativ | ||||||
| 29 | sein muß, wird also, in Ansehung aller Objecte unbestimmt, bloß | ||||||
| 30 | die Form des Wollens überhaupt enthalten und zwar als Autonomie, | ||||||
| 31 | d. i. die Tauglichkeit der Maxime eines jeden guten Willens, sich selbst | ||||||
| 32 | zum allgemeinen Gesetze zu machen, ist selbst das alleinige Gesetz, das | ||||||
| 33 | sich der Wille eines jeden vernünftigen Wesens selbst auferlegt, ohne irgend | ||||||
| 34 | eine Triebfeder und Interesse derselben als Grund unterzulegen. | ||||||
| 35 | Wie ein solcher synthetischer praktischer Satz a priori möglich | ||||||
| 36 | und warum er nothwendig sei, ist eine Aufgabe, deren Auflösung nicht | ||||||
| 37 | mehr binnen den Grenzen der Metaphysik der Sitten liegt, auch haben wir | ||||||
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