Kant: AA IV, Grundlegung zur Metaphysik der ... , Seite 432

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 irgend eine Bestimmung, die er enthielte, mit angedeutet würde, und      
  02 dieses geschieht in gegenwärtiger dritten Formel des Princips, nämlich      
  03 der Idee des Willens eines jeden vernünftigen Wesens als allgemeingesetzgebenden      
  04 Willens.      
           
  05 Denn wenn wir einen solchen denken, so kann, obgleich ein Wille, der      
  06 unter Gesetzen steht, noch vermittelst eines Interesse an dieses Gesetz      
  07 gebunden sein mag, dennoch ein Wille, der selbst zu oberst gesetzgebend ist,      
  08 unmöglich so fern von irgend einem Interesse abhängen; denn ein solcher      
  09 abhängender Wille würde selbst noch eines andern Gesetzes bedürfen, welches      
  10 das Interesse seiner Selbstliebe auf die Bedingung einer Gültigkeit      
  11 zum allgemeinen Gesetz einschränkte.      
           
  12 Also würde das Princip eines jeden menschlichen Willens, als      
  13 eines durch alle seine Maximen allgemein gesetzgebenden Willens*),      
  14 wenn es sonst mit ihm nur seine Richtigkeit hätte, sich zum kategorischen      
  15 Imperativ darin gar wohl schicken, daß es eben um der Idee      
  16 der allgemeinen Gesetzgebung willen sich auf kein Interesse gründet      
  17 und also unter allen möglichen Imperativen allein unbedingt sein kann;      
  18 oder noch besser, indem wir den Satz umkehren: wenn es einen kategorischen      
  19 Imperativ giebt (d. i. ein Gesetz für jeden Willen eines vernünftigen      
  20 Wesens), so kann er nur gebieten, alles aus der Maxime seines Willens      
  21 als eines solchen zu thun, der zugleich sich selbst als allgemein gesetzgebend      
  22 zum Gegenstande haben könnte; denn alsdann nur ist das praktische Princip      
  23 und der Imperativ, dem er gehorcht, unbedingt, weil er gar kein Interesse      
  24 zum Grunde haben kann.      
           
  25 Es ist nun kein Wunder, wenn wir auf alle bisherige Bemühungen,      
  26 die jemals unternommen worden, um das Princip der Sittlichkeit ausfindig      
  27 zu machen, zurücksehen, warum sie insgesammt haben fehlschlagen      
  28 müssen. Man sah den Menschen durch seine Pflicht an Gesetze gebunden,      
  29 man ließ es sich aber nicht einfallen, daß er nur seiner eigenen und      
  30 dennoch allgemeinen Gesetzgebung unterworfen sei, und daß er nur      
  31 verbunden sei, seinem eigenen, dem Naturzwecke nach aber allgemein gesetzgebenden      
  32 Willen gemäß zu handeln. Denn wenn man sich ihn nur als      
  33 einem Gesetz (welches es auch sei) unterworfen dachte: so mußte dieses irgend      
           
    *) Ich kann hier, Beispiele zur Erläuterung dieses Princips anzuführen, überhoben sein, denn die, so zuerst den kategorischen Imperativ und seine Formel erläuterten, können hier alle zu eben dem Zwecke dienen.      
           
     

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