Kant: AA IV, Grundlegung zur Metaphysik der ... , Seite 414

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 ein vollkommen guter Wille würde also eben sowohl unter objectiven      
  02 Gesetzen (des Guten) stehen, aber nicht dadurch als zu gesetzmäßigen      
  03 Handlungen genöthigt vorgestellt werden können, weil er von selbst nach      
  04 seiner subjectiven Beschaffenheit nur durch die Vorstellung des Guten bestimmt      
  05 werden kann. Daher gelten für den göttlichen und überhaupt      
  06 für einen heiligen Willen keine Imperativen; das Sollen ist hier am      
  07 unrechten Orte, weil das Wollen schon von selbst mit dem Gesetz nothwendig      
  08 einstimmig ist. Daher sind Imperativen nur Formeln, das Verhältniß      
  09 objectiver Gesetze des Wollens überhaupt zu der subjectiven Unvollkommenheit      
  10 des Willens dieses oder jenes vernünftigen Wesens, z. B.      
  11 des menschlichen Willens, auszudrücken.      
           
  12 Alle Imperativen nun gebieten entweder hypothetisch, oder      
  13 kategorisch. Jene stellen die praktische Nothwendigkeit einer möglichen      
  14 Handlung als Mittel zu etwas anderem, was man will (oder doch möglich      
  15 ist, daß man es wolle), zu gelangen vor. Der kategorische Imperativ      
  16 würde der sein, welcher eine Handlung als für sich selbst, ohne Beziehung      
  17 auf einen andern Zweck, als objectiv=nothwendig vorstellte.      
           
  18 Weil jedes praktische Gesetz eine mögliche Handlung als gut und      
  19 darum für ein durch Vernunft praktisch bestimmbares Subject als nothwendig      
  20 vorstellt, so sind alle Imperativen Formeln der Bestimmung der      
  21 Handlung, die nach dem Princip eines in irgend einer Art guten Willens      
  22 nothwendig ist. Wenn nun die Handlung bloß wozu anders als Mittel      
  23 gut sein würde, so ist der Imperativ hypothetisch; wird sie als an sich      
  24 gut vorgestellt, mithin als nothwendig in einem an sich der Vernunft gemäßen      
  25 Willen, als Princip desselben, so ist er kategorisch.      
           
  26 Der Imperativ sagt also, welche durch mich mögliche Handlung gut      
  27 wäre, und stellt die praktische Regel in Verhältniß auf einen Willen vor,      
  28 der darum nicht sofort eine Handlung thut, weil sie gut ist, theils weil das      
  29 Subject nicht immer weiß, daß sie gut sei, theils weil, wenn es dieses auch      
  30 wüßte, die Maximen desselben doch den objectiven Principien einer praktischen      
  31 Vernunft zuwider sein könnten.      
           
  32 Der hypothetische Imperativ sagt also nur, daß die Handlung zu      
  33 irgend einer möglichen oder wirklichen Absicht gut sei. Im erstern      
           
     

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