Kant: AA IV, Grundlegung zur Metaphysik der ... , Seite 400

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 der Wirklichkeit des Gegenstandes der Handlung ab, sondern blos von dem      
  02 Princip des Wollens, nach welchem die Handlung unangesehen aller      
  03 Gegenstände des Begehrungsvermögens geschehen ist. Daß die Absichten,      
  04 die wir bei Handlungen haben mögen, und ihre Wirkungen, als Zwecke      
  05 und Triebfedern des Willens, den Handlungen keinen unbedingten und      
  06 moralischen Werth ertheilen können, ist aus dem vorigen klar. Worin      
  07 kann also dieser Werth liegen, wenn er nicht im Willen in Beziehung auf      
  08 deren verhoffte Wirkung bestehen soll? Er kann nirgend anders liegen,      
  09 als im Princip des Willens unangesehen der Zwecke, die durch solche      
  10 Handlung bewirkt werden können; denn der Wille ist mitten inne zwischen      
  11 seinem Princip a priori, welches formell ist, und zwischen seiner Triebfeder      
  12 a posteriori, welche materiell ist, gleichsam auf einem Scheidewege, und      
  13 da er doch irgend wodurch muß bestimmt werden, so wird er durch das      
  14 formelle Princip des Wollens überhaupt bestimmt werden müssen, wenn      
  15 eine Handlung aus Pflicht geschieht, da ihm alles materielle Princip entzogen      
  16 worden.      
           
  17 Den dritten Satz als Folgerung aus beiden vorigen würde ich so      
  18 ausdrücken: Pflicht ist die Nothwendigkeit einer Handlung aus      
  19 Achtung fürs Gesetz. Zum Objecte als Wirkung meiner vorhabenden      
  20 Handlung kann ich zwar Neigung haben, aber niemals Achtung, eben      
  21 darum, weil sie bloß eine Wirkung und nicht Thätigkeit eines Willens ist.      
  22 Eben so kann ich für Neigung überhaupt, sie mag nun meine oder eines      
  23 andern seine sein, nicht Achtung haben, ich kann sie höchstens im ersten      
  24 Falle billigen, im zweiten bisweilen selbst lieben, d. i. sie als meinem eigenen      
  25 Vortheile günstig ansehen. Nur das, was bloß als Grund, niemals      
  26 aber als Wirkung mit meinem Willen verknüpft ist, was nicht meiner      
  27 Neigung dient, sondern sie überwiegt, wenigstens diese von deren Überschlage      
  28 bei der Wahl ganz ausschließt, mithin das bloße Gesetz für sich      
  29 kann ein Gegenstand der Achtung und hiemit ein Gebot sein. Nun soll      
  30 eine Handlung aus Pflicht den Einfluß der Neigung und mit ihr jeden      
  31 Gegenstand des Willens ganz absondern, also bleibt nichts für den Willen      
  32 übrig, was ihn bestimmen könne, als objectiv das Gesetz und subjectiv      
  33 reine Achtung für dieses praktische Gesetz, mithin die Maxime*), einem      
           
    *) Maxime ist das subjective Princip des Wollens; das objective Princip (d. i. dasjenige, was allen vernünftigen Wesen auch subjectiv zum praktischen Princip dienen würde, wenn Vernunft volle Gewalt über das Begehrungsvermögen hätte) ist das praktische Gesetz.      
           
     

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