Kant: AA IV, Prolegomena zu einer jeden ... , Seite 329  | 
|||||||
Zeile: 
  | 
Text (Kant): 
  | 
 
  | 
 
  | 
||||
| 01 | Metaphysik schlechterdings unmöglich oder höchstens ein regelloser, stümperhafter | ||||||
| 02 | Versuch ist, ohne Kenntniß der Materialien, womit man sich beschäftigt, | ||||||
| 03 | und ihrer Tauglichkeit zu dieser oder jener Absicht ein Kartengebäude | ||||||
| 04 | zusammenzuflicken. Wenn Kritik der reinen Vernunft auch nur das | ||||||
| 05 | allein geleistet hätte, diesen Unterschied zuerst vor Augen zu legen, so hätte | ||||||
| 06 | sie dadurch schon mehr zur Aufklärung unseres Begriffs und der Leitung | ||||||
| 07 | der Nachforschung im Felde der Metaphysik beigetragen, als alle fruchtlose | ||||||
| 08 | Bemühungen den transscendenten Aufgaben der reinen Vernunft ein | ||||||
| 09 | Gnüge zu thun, die man von je her unternommen hat, ohne jemals zu | ||||||
| 10 | wähnen, daß man sich in einem ganz andern Felde befände als dem des | ||||||
| 11 | Verstandes und daher Verstandes= und Vernunftbegriffe, gleich als ob sie | ||||||
| 12 | von einerlei Art wären, in einem Striche hernannte. | ||||||
| 13 | § 42. | 
||||||
| 14 | Alle reine Verstandeserkenntnisse haben das an sich, daß sich ihre Begriffe | ||||||
| 15 | in der Erfahrung geben und ihre Grundsätze durch Erfahrung bestätigen | ||||||
| 16 | lassen; dagegen die transscendenten Vernunfterkenntnisse sich weder, | ||||||
| 17 | was ihre Ideen betrifft, in der Erfahrung geben, noch ihre Sätze jemals | ||||||
| 18 | durch Erfahrung bestätigen, noch widerlegen lassen; daher der dabei vielleicht | ||||||
| 19 | einschleichende Irrthum durch nichts anders als reine Vernunft | ||||||
| 20 | selbst aufgedeckt werden kann, welches aber sehr schwer ist, weil eben diese | ||||||
| 21 | Vernunft vermittelst ihrer Ideen natürlicher Weise dialektisch wird, und | ||||||
| 22 | dieser unvermeidliche Schein durch keine objective und dogmatische Untersuchungen | ||||||
| 23 | der Sachen, sondern blos durch subjective der Vernunft selbst, | ||||||
| 24 | als eines Quells der Ideen, in Schranken gehalten werden kann. | ||||||
| 25 | § 43. | 
||||||
| 26 | Es ist jederzeit in der Kritik mein größtes Augenmerk gewesen, wie | ||||||
| 27 | ich nicht allein die Erkenntnißarten sorgfältig unterscheiden, sondern auch | ||||||
| 28 | alle zu jeder derselben gehörige Begriffe aus ihrem gemeinschaftlichen Quell | ||||||
| 29 | ableiten könnte, damit ich nicht allein dadurch, daß ich unterrichtet wäre, | ||||||
| 30 | woher sie abstammen, ihren Gebrauch mit Sicherheit bestimmen könnte, | ||||||
| 31 | sondern auch den noch nie vermutheten, aber unschätzbaren Vortheil hätte, | ||||||
| 32 | die Vollständigkeit in der Aufzählung, Classificirung und Specificirung | ||||||
| 33 | der Begriffe a priori, mithin nach Principien zu erkennen. Ohne dieses ist | ||||||
|   [ Seite 328 ] [ Seite 330 ] [ Inhaltsverzeichnis ]  | 
|||||||