Kant: AA IV, Prolegomena zu einer jeden ... , Seite 324

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 waren, darzustellen. Ich bezog endlich diese Functionen zu urtheilen      
  02 auf Objecte überhaupt, oder vielmehr auf die Bedingung, Urtheile als objectiv      
  03 gültig zu bestimmen, und es entsprangen reine Verstandesbegriffe,      
  04 bei denen ich außer Zweifel sein konnte, daß gerade nur diese und ihrer      
  05 nur so viel, nicht mehr noch weniger, unser ganzes Erkenntniß der Dinge      
  06 aus bloßem Verstande ausmachen können. Ich nannte sie wie billig nach      
  07 ihrem alten Namen Kategorien, wobei ich mir vorbehielt, alle von diesen      
  08 abzuleitende Begriffe, es sei durch Verknüpfung unter einander, oder mit      
  09 der reinen Form der Erscheinung (Raum und Zeit), oder mit ihrer Materie,      
  10 so fern sie noch nicht empirisch bestimmt ist (Gegenstand der Empfindung      
  11 überhaupt), unter der Benennung der Prädicabilien vollständig hinzuzufügen,      
  12 so bald ein System der transscendentalen Philosophie, zu deren      
  13 Behuf ich es jetzt nur mit der Kritik der Vernunft selbst zu thun hatte, zu      
  14 Stande kommen sollte.      
           
  15 Das Wesentliche aber in diesem System der Kategorien, dadurch es      
  16 sich von jener alten Rhapsodie, die ohne alles Princip fortging, unterscheidet,      
  17 und warum es auch allein zur Philosophie gezählt zu werden verdient,      
  18 besteht darin: daß vermittelst desselben die wahre Bedeutung der      
  19 reinen Verstandesbegriffe und die Bedingung ihres Gebrauchs genau bestimmt      
  20 werden konnte. Denn da zeigte sich, daß sie für sich selbst nichts      
  21 als logische Functionen sind, als solche aber nicht den mindesten Begriff      
  22 von einem Objecte an sich selbst ausmachen, sondern es bedürfen, daß sinnliche      
  23 Anschauung zum Grunde liege, und alsdann nur dazu dienen, empirische      
  24 Urtheile, die sonst in Ansehung aller Functionen zu Urtheilen unbestimmt      
  25 und gleichgültig sind, in Ansehung derselben zu bestimmen, ihnen      
  26 dadurch Allgemeingültigkeit zu verschaffen und vermittelst ihrer Erfahrungsurtheile      
  27 überhaupt möglich zu machen.      
           
  28 Von einer solchen Einsicht in die Natur der Kategorien, die sie zugleich      
  29 auf den bloßen Erfahrungsgebrauch einschränkte, ließ sich weder ihr      
  30 erster Urheber, noch irgend einer nach ihm etwas einfallen; aber ohne      
  31 diese Einsicht (die ganz genau von der Ableitung oder Deduction derselben      
  32 abhängt) sind sie gänzlich unnütz und ein elendes Namenregister ohne Erklärung      
  33 und Regel ihres Gebrauchs. Wäre dergleichen jemals den Alten      
  34 in den Sinn gekommen, ohne Zweifel das ganze Studium der reinen Vernunfterkenntniß      
  35 welches unter dem Namen Metaphysik viele Jahrhunderte      
  36 hindurch so manchen guten Kopf verdorben hat, wäre in ganz anderer      
  37 Gestalt zu uns gekommen und hätte den Verstand der Menschen aufgeklärt,      
           
     

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