Kant: AA IV, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 182

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 sei, weil unter ihren Begriffen kein Widerstreit angetroffen wird*).      
  02 Nach bloßen Begriffen ist das Innere das Substratum aller Verhältniß      
  03 oder äußeren Bestimmungen. Wenn ich also von allen Bedingungen der      
  04 Anschauung abstrahire und mich lediglich an den Begriff von einem Dinge      
  05 überhaupt halte, so kann ich von allem äußeren Verhältniß abstrahiren,      
  06 und es muß dennoch ein Begriff von dem übrig bleiben, das gar kein Verhältniß,      
  07 sondern blos innere Bestimmung bedeutet. Da scheint es nun,      
  08 es folge daraus: in jedem Dinge (Substanz) sei etwas, was schlechthin      
  09 innerlich ist und allen äußeren Bestimmungen vorgeht, indem es sie      
  10 allererst möglich macht; mithin sei dieses Substratum so etwas, das keine      
  11 äußere Verhältnisse mehr in sich enthält, folglich einfach (denn die körperliche      
  12 Dinge sind doch immer nur Verhältnisse, wenigstens der Theile außer      
  13 einander); und weil wir keine schlechthin innere Bestimmungen kennen,      
  14 als die durch unsern innern Sinn, so sei dieses Substratum nicht allein      
  15 einfach, sondern auch (nach der Analogie mit unserem innern Sinn) durch      
  16 Vorstellungen bestimmt, d. i. alle Dinge wären eigentlich Monaden      
  17 oder mit Vorstellungen begabte einfache Wesen. Dieses würde auch alles      
  18 seine Richtigkeit haben, gehörte nicht etwas mehr als der Begriff von einem      
  19 Dinge überhaupt zu den Bedingungen, unter denen allein uns Gegenstände      
  20 der äußeren Anschauung gegeben werden können, und von denen      
  21 der reine Begriff abstrahirt. Denn da zeigt sich, daß eine beharrliche Erscheinung      
  22 im Raume (undurchdringliche Ausdehnung) lauter Verhältnisse      
  23 und gar nichts schlechthin Innerliches enthalten und dennoch das erste Substratum      
  24 aller äußeren Wahrnehmung sein könne. Durch bloße Begriffe      
  25 kann ich freilich ohne etwas Inneres nichts Äußeres denken, eben darum      
  26 weil Verhältnißbegriffe doch schlechthin gegebene Dinge voraussetzen und      
  27 ohne diese nicht möglich sind. Aber da in der Anschauung etwas enthalten      
  28 ist, was im bloßen Begriffe von einem Dinge überhaupt gar nicht liegt,      
  29 und dieses das Substratum, welches durch bloße Begriffe gar nicht erkannt      
           
    *)Wollte man sich hier der gewöhnlichen Ausflucht bedienen, daß wenigstens realitates noumena einander nicht entgegen wirken können, so müßte man doch ein Beispiel von dergleichen reiner und sinnenfreier Realität anführen, damit man verstände, ob eine solche überhaupt etwas oder gar nichts vorstelle. Aber es kann kein Beispiel woher anders als aus der Erfahrung genommen werden, die niemals mehr als Phaenomena darbietet; und so bedeutet dieser Satz nichts weiter, als daß der Begriff, der lauter Bejahungen enthält, nichts Verneinendes enthalte, ein Satz, an dem wir niemals gezweifelt haben.      
           
     

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