Kant: AA IV, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 170

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 Das Verhältniß aber, in welchem die Begriffe in einem Gemüthszustande      
  02 zu einander gehören können, ist das der Einerleiheit und Verschiedenheit,      
  03 der Einstimmung und des Widerstreits, des Inneren und des      
  04 Äußeren, endlich des Bestimmbaren und der Bestimmung (Materie      
  05 und Form). Die richtige Bestimmung dieses Verhältnisses beruht darauf,      
  06 in welcher Erkenntnißkraft sie subjectiv zu einander gehören, ob in der      
  07 Sinnlichkeit oder dem Verstande. Denn der Unterschied der letzteren macht      
  08 einen großen Unterschied in der Art, wie man sich die ersten denken solle.      
           
  09 Vor allen objectiven Urtheilen vergleichen wir die Begriffe, um auf      
  10 die Einerleiheit (vieler Vorstellungen unter einem Begriffe) zum Behuf      
  11 der allgemeinen Urtheile, oder die Verschiedenheit derselben zu Erzeugung      
  12 besonderer, auf die Einstimmung, daraus bejahende, und      
  13 den Widerstreit, daraus verneinende Urtheile werden können, u. s. w.      
  14 zu kommen. Aus diesem Grunde sollten wir, wie es scheint, die angeführte      
  15 Begriffe Vergleichungsbegriffe nennen ( conceptus comparationis ). Weil      
  16 aber, wenn es nicht auf die logische Form, sondern auf den Inhalt der Begriffe      
  17 ankommt, d. i. ob die Dinge selbst einerlei oder verschieden, einstimmig      
  18 oder im Widerstreit sind etc., die Dinge ein zwiefaches Verhältniß      
  19 zu unserer Erkenntnißkraft, nämlich zur Sinnlichkeit und zum Verstande,      
  20 haben können, auf diese Stelle aber, darin sie gehören, die Art ankommt,      
  21 wie sie zu einander gehören sollen: so wird die transscendentale Reflexion,      
  22 d. i. das Verhältniß gegebener Vorstellungen zu einer oder der anderen      
  23 Erkenntnißart, ihr Verhältniß unter einander allein bestimmen können;      
  24 und ob die Dinge einerlei oder verschieden, einstimmig oder widerstreitend      
  25 sind etc., wird nicht sofort aus den Begriffen selbst durch bloße Vergleichung      
  26 ( comparatio ), sondern allererst durch die Unterscheidung der      
  27 Erkenntnißart, wozu sie gehören, vermittelst einer transscendentalen Überlegung      
  28 ( reflexio ) ausgemacht werden können. Man könnte also zwar sagen,      
  29 daß die logische Reflexion eine bloße Comparation sei, denn bei ihr      
  30 wird von der Erkenntnißkraft, wozu die gegebene Vorstellungen gehören,      
  31 gänzlich abstrahirt, und sie sind also so fern ihrem Sitze nach im Gemüthe      
  32 als gleichartig zu behandeln; die transscendentale Reflexion aber      
  33 (welche auf die Gegenstände selbst geht) enthält den Grund der Möglichkeit      
  34 der objectiven Comparation der Vorstellungen unter einander und ist also      
  35 von der letzteren gar sehr verschieden, weil die Erkenntnißkraft, dazu sie      
  36 gehören, nicht eben dieselbe ist. Diese transscendentale Überlegung ist eine      
  37 Pflicht, von der sich niemand lossagen kann, wenn er a priori etwas über      
           
     

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