Kant: AA IV, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 138 |
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| 01 | Kriterium die Substanzialität, ohne daß ich die Beharrlichkeit | ||||||
| 02 | desselben durch verglichene Wahrnehmungen allererst zu suchen nöthig | ||||||
| 03 | hätte, welches auch auf diesem Wege mit der Ausführlichkeit nicht Geschehen | ||||||
| 04 | könnte, die zu der Größe und strengen Allgemeingültigkeit des Begriffs | ||||||
| 05 | erforderlich ist. Denn daß das erste Subject der Causalität alles Entstehens | ||||||
| 06 | und Vergehens selbst nicht (im Felde der Erscheinungen) entstehen | ||||||
| 07 | und vergehen könne, ist ein sicherer Schluß, der auf empirische Nothwendigkeit | ||||||
| 08 | und Beharrlichkeit im Dasein, mithin auf den Begriff einer Substanz | ||||||
| 09 | als Erscheinung auslauft. | ||||||
| 10 | Wenn etwas geschieht, so ist das bloße Entstehen ohne Rücksicht auf | ||||||
| 11 | das, was da entsteht, schon an sich selbst ein Gegenstand der Untersuchung. | ||||||
| 12 | Der Übergang aus dem Nichtsein eines Zustandes in diesen Zustand, gesetzt | ||||||
| 13 | daß dieser auch keine Qualität in der Erscheinung enthielte, ist schon | ||||||
| 14 | allein nöthig zu untersuchen. Dieses Entstehen trifft, wie in der Nummer | ||||||
| 15 | A gezeigt worden, nicht die Substanz (denn die entsteht nicht), sondern | ||||||
| 16 | ihren Zustand. Es ist also blos Veränderung und nicht Ursprung aus | ||||||
| 17 | Nichts. Wenn dieser Ursprung als Wirkung von einer fremden Ursache | ||||||
| 18 | angesehen wird, so heißt er Schöpfung, welche als Begebenheit unter den | ||||||
| 19 | Erscheinungen nicht zugelassen werden kann, indem ihre Möglichkeit allein | ||||||
| 20 | schon die Einheit der Erfahrung aufheben würde; obzwar, wenn ich alle | ||||||
| 21 | Dinge nicht als Phänomene, sondern als Dinge an sich betrachte und als | ||||||
| 22 | Gegenstände des bloßen Verstandes, sie, obschon sie Substanzen sind, dennoch | ||||||
| 23 | wie abhängig ihrem Dasein nach von fremder Ursache angesehen | ||||||
| 24 | werden können, welches aber alsdann ganz andere Wortbedeutungen nach | ||||||
| 25 | sich ziehen und auf Erscheinungen als mögliche Gegenstände der Erfahrung | ||||||
| 26 | nicht passen würde. | ||||||
| 27 | Wie nun überhaupt etwas verändert werden könne, wie es möglich | ||||||
| 28 | ist, daß auf einen Zustand in einem Zeitpunkte ein entgegengesetzter im | ||||||
| 29 | andern folgen könne, davon haben wir a priori nicht den mindesten Begriff. | ||||||
| 30 | Hierzu wird die Kenntniß wirklicher Kräfte erfordert, welche nur | ||||||
| 31 | empirisch gegeben werden kann, z. B. der bewegenden Kräfte oder, welches | ||||||
| 32 | einerlei ist, gewisser successiven Erscheinungen (als Bewegungen), welche | ||||||
| 33 | solche Kräfte anzeigen. Aber die Form einer jeden Veränderung, die Bedingung, | ||||||
| 34 | unter welcher sie als ein Entstehen eines andern Zustandes | ||||||
| 35 | allein vorgehen kann (der Inhalt derselben, d. i. der Zustand, der verändert | ||||||
| 36 | wird, mag sein, welcher er wolle), mithin die Succession der Zustände | ||||||
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