Kant: AA IV, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 134 |
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| 01 | woraus sich denn ergiebt: daß ich erstlich nicht die Reihe umkehren und | ||||||
| 02 | das, was geschieht, demjenigen voransetzen kann, worauf es folgt; | ||||||
| 03 | zweitens daß, wenn der Zustand, der vorhergeht, gesetzt wird, diese bestimmte | ||||||
| 04 | Begebenheit unausbleiblich und nothwendig folge. Dadurch geschieht | ||||||
| 05 | es, daß eine Ordnung unter unsern Vorstellungen wird, in welcher | ||||||
| 06 | das Gegenwärtige (so fern es geworden) auf irgend einen vorhergehenden | ||||||
| 07 | Zustand Anweisung giebt als ein, obzwar noch unbestimmtes Correlatum | ||||||
| 08 | dieses Eräugnisses, das gegeben ist, welches sich aber auf dieses als seine | ||||||
| 09 | Folge bestimmend bezieht und es nothwendig mit sich in der Zeitreihe | ||||||
| 10 | verknüpft. | ||||||
| 11 | Wenn es nun ein nothwendiges Gesetz unserer Sinnlichkeit, mithin | ||||||
| 12 | eine formale Bedingung aller Wahrnehmungen ist, daß die vorige | ||||||
| 13 | Zeit die folgende nothwendig bestimmt (indem ich zur folgenden nicht | ||||||
| 14 | anders gelangen kann, als durch die vorhergehende), so ist es auch ein | ||||||
| 15 | unentbehrliches Gesetz der empirischen Vorstellung der Zeitreihe, | ||||||
| 16 | daß die Erscheinungen der vergangenen Zeit jedes Dasein in der folgenden | ||||||
| 17 | bestimmen, und daß diese als Begebenheiten nicht statt finden, als so fern | ||||||
| 18 | jene ihnen ihr Dasein in der Zeit bestimmen, d. i. nach einer Regel festsetzen. | ||||||
| 19 | Denn nur an den Erscheinungen können wir diese Continuität | ||||||
| 20 | im Zusammenhange der Zeiten empirisch erkennen. | ||||||
| 21 | Zu aller Erfahrung und deren Möglichkeit gehört Verstand, und das | ||||||
| 22 | erste, was er dazu thut, ist nicht, daß er die Vorstellung der Gegenstände | ||||||
| 23 | deutlich macht, sondern daß er die Vorstellung eines Gegenstandes überhaupt | ||||||
| 24 | möglich macht. Dieses geschieht nun dadurch, daß er die Zeitordnung | ||||||
| 25 | auf die Erscheinungen und deren Dasein überträgt, indem er jeder | ||||||
| 26 | derselben als Folge eine in Ansehung der vorhergehenden Erscheinungen | ||||||
| 27 | a priori bestimmte Stelle in der Zeit zuerkennt, ohne welche sie nicht mit der | ||||||
| 28 | Zeit selbst, die allen ihren Theilen a priori ihre Stelle bestimmt, übereinkommen | ||||||
| 29 | würde. Diese Bestimmung der Stelle kann nun nicht von dem Verhältniß | ||||||
| 30 | der Erscheinungen gegen die absolute Zeit entlehnt werden (denn | ||||||
| 31 | die ist kein Gegenstand der Wahrnehmung), sondern umgekehrt, die Erscheinungen | ||||||
| 32 | müssen einander ihre Stellen in der Zeit selbst bestimmen und | ||||||
| 33 | dieselbe in der Zeitordnung nothwendig machen, d. i. dasjenige, was da | ||||||
| 34 | folgt oder geschieht, muß nach einer allgemeinen Regel auf das, was im | ||||||
| 35 | vorigen Zustande enthalten war, folgen, woraus eine Reihe der Erscheinungen | ||||||
| 36 | wird, die vermittelst des Verstandes eben dieselbige Ordnung und stetigen | ||||||
| 37 | Zusammenhang in der Reihe möglicher Wahrnehmungen hervorbringt | ||||||
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