Kant: AA IV, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 071 |
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| 01 | gebrauchen geneigt sind, weshalb auch oben von ihm eine transscendentale | ||||||
| 02 | Deduction von nöthen war. So muß denn der Leser von der unumgänglichen | ||||||
| 03 | Nothwendigkeit einer solchen transscendentalen Deduction, ehe er | ||||||
| 04 | einen einzigen Schritt im Felde der reinen Vernunft gethan hat, überzeugt | ||||||
| 05 | werden; weil er sonst blind verfährt und, nachdem er mannigfaltig umher | ||||||
| 06 | geirrt hat, doch wieder zu der Unwissenheit zurückkehren muß, von der er | ||||||
| 07 | ausgegangen war. Er muß aber auch die unvermeidliche Schwiergkeit | ||||||
| 08 | zum voraus deutlich einsehen, damit er nicht über Dunkelheit klage, wo | ||||||
| 09 | die Sache selbst tief eingehüllt ist, oder über der Wegräumung der Hindernisse | ||||||
| 10 | zu früh verdrossen werde, weil es darauf ankommt, entweder alle | ||||||
| 11 | Ansprüche zu Einsichten der reinen Vernunft als das beliebteste Feld, | ||||||
| 12 | nämlich dasjenige über die Grenzen aller möglichen Erfahrung hinaus, | ||||||
| 13 | völlig aufzugeben oder diese kritische Untersuchung zur Vollkommenheit | ||||||
| 14 | zu bringen. | ||||||
| 15 | Wir haben oben an den Begriffen des Raumes und der Zeit mit | ||||||
| 16 | leichter Mühe begreiflich machen können, wie diese als Erkenntnisse a | ||||||
| 17 | priori sich gleichwohl auf Gegenstände nothwendig beziehen müssen und | ||||||
| 18 | eine synthetische Erkenntniß derselben, unabhängig von aller Erfahrung, | ||||||
| 19 | möglich machten. Denn da nur vermittelst solcher reinen Formen der | ||||||
| 20 | Sinnlichkeit uns ein Gegenstand erscheinen, d. i. ein Object der empirischen | ||||||
| 21 | Anschauung sein kann, so sind Raum und Zeit reine Anschauungen, | ||||||
| 22 | welche die Bedingung der Möglichkeit der Gegenstände als Erscheinungen | ||||||
| 23 | a priori enthalten, und die Synthesis in denselben hat objective | ||||||
| 24 | Gültigkeit. | ||||||
| 25 | Die Kategorien des Verstandes dagegen stellen uns gar nicht die Bedingungen | ||||||
| 26 | vor, unter denen Gegenstände in der Anschauung gegeben | ||||||
| 27 | werden; mithin können uns allerdings Gegenstände erscheinen, ohne daß | ||||||
| 28 | sie sich nothwendig auf Functionen des Verstandes beziehen müssen, und | ||||||
| 29 | dieser also die Bedingungen derselben a priori enthielte. Daher zeigt sich | ||||||
| 30 | hier eine Schwierigkeit, die wir im Felde der Sinnlichkeit nicht antrafen, | ||||||
| 31 | wie nämlich subjective Bedingungen des Denkens sollten objective | ||||||
| 32 | Gültigkeit haben, d. i. Bedingungen der Möglichkeit aller Erkenntniß | ||||||
| 33 | der Gegenstände abgeben: denn ohne Functionen des Verstandes können | ||||||
| 34 | allerdings Erscheinungen in der Anschauung gegeben werden. Ich nehme | ||||||
| 35 | z. b. den Begriff der Ursache, welcher eine besondere Art der Synthesis | ||||||
| 36 | bedeutet, da auf etwas A was ganz Verschiedenes B nach einer Regel gesetzt | ||||||
| 37 | wird. Es ist a priori nicht klar, warum Erscheinungen etwas dergleichen | ||||||
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