Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 468 |
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| 01 | und den Ursachen derselben durch Kritik abgeholfen werden. Wo aber, wie | ||||||
| 02 | in der reinen Vernunft, ein ganzes System von Täuschungen und Blendwerken | ||||||
| 03 | angetroffen wird, die unter sich wohl verbunden und unter gemeinschaftlichen | ||||||
| 04 | Principien vereinigt sind, da scheint eine ganz eigene und | ||||||
| 05 | zwar negative Gesetzgebung erforderlich zu sein, welche unter dem Namen | ||||||
| 06 | einer Disciplin aus der Natur der Vernunft und der Gegenstände ihres | ||||||
| 07 | reinen Gebrauchs gleichsam ein System der Vorsicht und Selbstprüfung | ||||||
| 08 | errichte, vor welchem kein falscher vernünftelnder Schein bestehen kann, | ||||||
| 09 | sondern sich sofort unerachtet aller Gründe seiner Beschönigung verrathen | ||||||
| 10 | muß. | ||||||
| 11 | Es ist aber wohl zu merken: daß ich in diesem zweiten Haupttheile | ||||||
| 12 | der transscendentalen Kritik die Disciplin der reinen Vernunft nicht auf | ||||||
| 13 | den Inhalt, sondern bloß auf die Methode der Erkenntniß aus reiner Vernunft | ||||||
| 14 | richte. Das erstere ist schon in der Elementarlehre geschehen. Es | ||||||
| 15 | hat aber der Vernunftgebrauch so viel Ähnliches, auf welchen Gegenstand | ||||||
| 16 | er auch angewandt werden mag, und ist doch, so fern er transscendental | ||||||
| 17 | sein soll, zugleich von allem anderen so wesentlich unterschieden, daß ohne | ||||||
| 18 | die warnende Negativlehre einer besonders darauf gestellten Disciplin die | ||||||
| 19 | Irrthümer nicht zu verhüten sind, die aus einer unschicklichen Befolgung | ||||||
| 20 | solcher Methoden, die zwar sonst der Vernunft, aber nur nicht hier anpassen, | ||||||
| 21 | nothwendig entspringen müssen. | ||||||
| 22 | Des ersten Hauptstücks |
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| 23 | Erster Abschnitt. |
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| 24 | Die Disciplin der reinen Vernunft im dogmatischen |
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| 25 | Gebrauche. |
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| 26 | Die Mathematik giebt das glänzendste Beispiel einer sich ohne Beihülfe | ||||||
| 27 | der Erfahrung von selbst glücklich erweiternden reinen Vernunft. | ||||||
| 28 | Beispiele sind ansteckend, vornehmlich für dasselbe Vermögen, welches sich | ||||||
| 29 | natürlicherweise schmeichelt, eben dasselbe Glück in anderen Fällen zu | ||||||
| 30 | haben, welches ihm in einem Falle zu Theil worden. Daher hofft reine | ||||||
| 31 | Vernunft im transscendentalen Gebrauche sich eben so glücklich und gründlich | ||||||
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