Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 466 |
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| 01 | geleistet wird, weil, da die allgemeine Logik auf keine besondere Art der | ||||||
| 02 | Verstandeserkenntniß (z. B. nicht auf die reine), auch nicht auf gewisse | ||||||
| 03 | Gegenstände eingeschränkt ist, sie, ohne Kenntnisse aus anderen Wissenschaften | ||||||
| 04 | zu borgen, nichts mehr thun kann, als Titel zu möglichen Methoden | ||||||
| 05 | und technische Ausdrücke, deren man sich in Ansehung des Systematischen | ||||||
| 06 | in allerlei Wissenschaften bedient, vorzutragen, die den Lehrling | ||||||
| 07 | zum voraus mit Namen bekannt machen, deren Bedeutung und Gebrauch | ||||||
| 08 | er künftig allererst soll kennen lernen. | ||||||
| 09 | Der transscendentalen Methodenlehre |
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| 10 | Erstes Hauptstück. |
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| 11 | Die Disciplin der reinen Vernunft. |
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| 12 | Die negativen Urtheile, die es nicht bloß der logischen Form, sondern | ||||||
| 13 | auch dem Inhalte nach sind, stehen bei der Wißbegierde der Menschen in | ||||||
| 14 | keiner sonderlichen Achtung; man sieht sie wohl gar als neidische Feinde | ||||||
| 15 | unseres unablässig zur Erweiterung strebenden Erkenntnißtriebes an, und | ||||||
| 16 | es bedarf beinahe einer Apologie, um ihnen nur Duldung, und noch mehr, | ||||||
| 17 | um ihnen Gunst und Hochschätzung zu verschaffen. | ||||||
| 18 | Man kann zwar logisch alle Sätze, die man will, negativ ausdrücken, | ||||||
| 19 | in Ansehung des Inhalts aber unserer Erkenntniß überhaupt, ob sie durch | ||||||
| 20 | ein Urtheil erweitert oder beschränkt wird, haben die verneinenden das | ||||||
| 21 | eigenthümliche Geschäfte, lediglich den Irrthum abzuhalten. Daher | ||||||
| 22 | auch negative Sätze, welche eine falsche Erkenntniß abhalten sollen, wo | ||||||
| 23 | doch niemals ein Irrthum möglich ist, zwar sehr wahr, aber doch leer, | ||||||
| 24 | d. i. ihrem Zwecke gar nicht angemessen, und eben darum oft lächerlich | ||||||
| 25 | sind; wie der Satz jenes Schulredners, daß Alexander ohne Kriegsheer | ||||||
| 26 | keine Länder hätte erobern können. | ||||||
| 27 | Wo aber die Schranken unserer möglichen Erkenntniß sehr enge, der | ||||||
| 28 | Anreiz zum Urtheilen groß, der Schein, der sich darbietet, sehr betrüglich | ||||||
| 29 | und der Nachtheil aus dem Irrthum erheblich ist, da hat das negative | ||||||
| 30 | der Unterweisung, welches bloß dazu dient, um uns vor Irrthümern zu | ||||||
| 31 | verwahren, noch mehr Wichtigkeit, als manche positive Belehrung, dadurch | ||||||
| 32 | unser Erkenntniß Zuwachs bekommen könnte. Man nennt den Zwang, | ||||||
| 33 | wodurch der beständige Hang von gewissen Regeln abzuweichen eingeschränkt | ||||||
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