Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 451 |
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| 01 | ich nicht bloß die körperliche Natur, sondern überhaupt alle Natur Weg, | ||||||
| 02 | d. i. alle Prädicate irgend einer möglichen Erfahrung, mithin alle Bedingungen, | ||||||
| 03 | zu einem solchen Begriffe einen Gegenstand zu denken, als | ||||||
| 04 | welches doch einzig und allein es macht, daß man sagt, er habe einen | ||||||
| 05 | Sinn. | ||||||
| 06 | Die zweite regulative Idee der bloß speculativen Vernunft ist der | ||||||
| 07 | Weltbegriff überhaupt. Denn Natur ist eigentlich nur das einzige gegebene | ||||||
| 08 | Object, in Ansehung dessen die Vernunft regulative Principien bedarf. | ||||||
| 09 | Diese Natur ist zwiefach, entweder die denkende, oder die körperliche | ||||||
| 10 | Natur. Allein zu der letzteren, um sie ihrer inneren Möglichkeit nach | ||||||
| 11 | zu denken, d. i. die Anwendung der Kategorien auf dieselbe zu bestimmen, | ||||||
| 12 | bedürfen wir keiner Idee, d. i. einer die Erfahrung übersteigenden | ||||||
| 13 | Vorstellung; es ist auch keine in Ansehung derselben möglich, weil wir | ||||||
| 14 | darin bloß durch sinnliche Anschauung geleitet werden, und nicht wie in | ||||||
| 15 | dem psychologischen Grundbegriffe (Ich), welcher eine gewisse Form des | ||||||
| 16 | Denkens, nämlich die Einheit desselben a priori, enthält. Also bleibt uns | ||||||
| 17 | für die reine Vernunft nichts übrig, als Natur überhaupt und die Vollständigkeit | ||||||
| 18 | der Bedingungen in derselben nach irgend einem Princip. Die | ||||||
| 19 | absolute Totalität der Reihen dieser Bedingungen in der Ableitung ihrer | ||||||
| 20 | Glieder ist eine Idee, die zwar im empirischen Gebrauche der Vernunft | ||||||
| 21 | niemals völlig zu Stande kommen kann, aber doch zur Regel dient, wie | ||||||
| 22 | wir in Ansehung derselben verfahren sollen: nämlich in der Erklärung | ||||||
| 23 | gegebener Erscheinungen (im Zurückgehen oder Aufsteigen) so, als ob die | ||||||
| 24 | Reihe an sich unendlich wäre, d. i. in indefinitum ; aber wo die Vernunft | ||||||
| 25 | selbst als bestimmende Ursache betrachtet wird (in der Freiheit), also bei | ||||||
| 26 | praktischen Principien, als ob wir nicht ein Object der Sinne, sondern | ||||||
| 27 | des reinen Verstandes vor uns hätten, wo die Bedingungen nicht mehr | ||||||
| 28 | in der Reihe der Erscheinungen, sondern außer derselben gesetzt werden | ||||||
| 29 | können, und die Reihe der Zustände angesehen werden kann, als ob sie | ||||||
| 30 | schlechthin (durch eine intelligibele Ursache) angefangen würde; welches | ||||||
| 31 | alles beweiset, daß die kosmologischen Ideen nichts als regulative Principien | ||||||
| 32 | und weit davon entfernt sind, gleichsam constitutiv eine wirkliche | ||||||
| 33 | Totalität solcher Reihen zu setzen. Das übrige kann man an seinen Orte | ||||||
| 34 | unter der Antinomie der reinen Vernunft suchen. | ||||||
| 35 | Die dritte Idee der reinen Vernunft, welche eine bloß relative Supposition | ||||||
| 36 | eines Wesens enthält, als der einigen und allgenugsamen Ursache | ||||||
| 37 | aller kosmologischen Reihen, ist der Vernunftbegriff von Gott. Den Gegenstand | ||||||
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