Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 430

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 zu finden und diesen dadurch auch über die Fälle, die nicht gegeben sind,      
  02 zu leiten und zusammenhängend zu machen.      
           
  03 Man sieht aber hieraus nur, daß die systematische oder Vernunfteinheit      
  04 der mannigfaltigen Verstandeserkenntniß ein logisches Princip      
  05 sei, um da, wo der Verstand allein nicht zu Regeln hinlangt, ihm durch      
  06 Ideen fortzuhelfen und zugleich der Verschiedenheit seiner Regeln Einhelligkeit      
  07 unter einem Princip (systematische) und dadurch Zusammenhang      
  08 zu verschaffen, so weit als es sich thun läßt. Ob aber die Beschaffenheit      
  09 der Gegenstände oder die Natur des Verstandes, der sie als solche erkennt,      
  10 an sich zur systematischen Einheit bestimmt sei, und ob man diese a priori      
  11 auch ohne Rücksicht auf ein solches Interesse der Vernunft in gewisser      
  12 Maße postuliren und also sagen könne: alle mögliche Verstandeserkenntnisse      
  13 (darunter die empirischen) haben Vernunfteinheit und stehen unter      
  14 gemeinschaftlichen Principien, woraus sie unerachtet ihrer Verschiedenheit      
  15 abgeleitet werden können: das würde ein transscendentaler Grundsatz      
  16 der Vernunft sein, welcher die systematische Einheit nicht bloß subjectiv      
  17 und logisch=, als Methode, sondern objectiv nothwendig machen      
  18 würde.      
           
  19 Wir wollen dieses durch einen Fall des Vernunftgebrauchs erläutern.      
  20 Unter die verschiedenen Arten von Einheit nach Begriffen des Verstandes      
  21 gehört auch die der Causalität einer Substanz, welche Kraft genannt wird.      
  22 Die verschiedenen Erscheinungen eben derselben Substanz zeigen beim      
  23 ersten Anblicke so viel Ungleichartigkeit, daß man daher anfänglich beinahe      
  24 so vielerlei Kräfte derselben annehmen muß, als Wirkungen sich hervorthun,      
  25 wie in dem menschlichen Gemüthe die Empfindung, Bewußtsein,      
  26 Einbildung, Erinnerung, Witz, Unterscheidungskraft, Lust, Begierde u. s. w.      
  27 Anfänglich gebietet eine logische Maxime diese anscheinende Verschiedenheit      
  28 so viel als möglich dadurch zu verringern, daß man durch Vergleichung      
  29 die versteckte Identität entdecke und nachsehe, ob nicht Einbildung,      
  30 mit Bewußtsein verbunden, Erinnerung, Witz, Unterscheidungskraft, vielleicht      
  31 gar Verstand und Vernunft sei. Die Idee einer Grundkraft, von      
  32 welcher aber die Logik gar nicht ausmittelt, ob es dergleichen gebe, ist      
  33 wenigstens das Problem einer systematischen Vorstellung der Mannigfaltigkeit      
  34 von Kräften. Das logische Vernunftprincip erfordert diese Einheit      
  35 so weit als möglich zu Stande zu bringen, und je mehr die Erscheinungen      
  36 der einen und anderen Kraft unter sich identisch gefunden werden,      
  37 desto wahrscheinlicher wird es, daß sie nichts als verschiedene Äußerungen      
           
     

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