Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 385 |
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Text (Kant):
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| 01 | sind, welche mehr eine im Mittel verschiedener Erfahrungen gleichsam | ||||||
| 02 | schwebende Zeichnung, als ein bestimmtes Bild ausmachen, dergleichen | ||||||
| 03 | Maler und Physiognomen in ihrem Kopfe zu haben vorgeben, und die ein | ||||||
| 04 | nicht mitzutheilendes Schattenbild ihrer Producte oder auch Beurtheilungen | ||||||
| 05 | sein sollen. Sie können, obzwar nur uneigentlich, Ideale der Sinnlichkeit | ||||||
| 06 | genannt werden, weil sie das nicht erreichbare Muster möglicher | ||||||
| 07 | empirischer Anschauungen sein sollen und gleichwohl keine der Erklärung | ||||||
| 08 | und Prüfung fähige Regel abgeben. | ||||||
| 09 | Die Absicht der Vernunft mit ihrem Ideale ist dagegen die durchgängige | ||||||
| 10 | Bestimmung nach Regeln a priori; daher sie sich einen Gegenstand | ||||||
| 11 | denkt, der nach Principien durchgängig bestimmbar sein soll, obgleich | ||||||
| 12 | dazu die hinreichenden Bedingungen in der Erfahrung mangeln | ||||||
| 13 | und der Begriff selbst also transscendent ist. | ||||||
| 14 | Des dritten Hauptstücks |
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| 15 | Zweiter Abschnitt. |
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| 16 | Von dem transscendentalen Ideal |
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| 17 | ( Prototypon transscendentale ). | ||||||
| 18 | Ein jeder Begriff ist in Ansehung dessen, was in ihm selbst nicht | ||||||
| 19 | enthalten ist, unbestimmt und steht unter dem Grundsatze der Bestimmbarkeit: | ||||||
| 20 | daß nur eines von jeden zwei einander contradictorisch entgegengesetzten | ||||||
| 21 | Prädicaten ihm zukommen könne, welcher auf dem Satze des | ||||||
| 22 | Widerspruchs beruht und daher ein bloß logisches Princip ist, das von | ||||||
| 23 | allem Inhalte der Erkenntniß abstrahirt und nichts als die logische Form | ||||||
| 24 | derselben vor Augen hat. | ||||||
| 25 | Ein jedes Ding aber seiner Möglichkeit nach steht noch unter dem | ||||||
| 26 | Grundsatze der durchgängigen Bestimmung, nach welchem ihm von | ||||||
| 27 | allen möglichen Prädicaten der Dinge, so fern sie mit ihren Gegentheilen | ||||||
| 28 | verglichen werden, eines zukommen muß. Dieses beruht nicht bloß | ||||||
| 29 | auf dem Satze des Widerspruchs; denn es betrachtet außer dem Verhältniß | ||||||
| 30 | zweier einander widerstreitenden Prädicate jedes Ding noch im Verhältniß | ||||||
| 31 | auf die gesammte Möglichkeit, als den Inbegriff aller Prädicate | ||||||
| 32 | der Dinge überhaupt, und indem es solche als Bedingung a priori | ||||||
| 33 | voraussetzt, so stellt es ein jedes Ding so vor, wie es von dem Antheil, den | ||||||
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