Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 322 |
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Text (Kant):
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| 01 | Der |
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| 02 | Antinomie der reinen Vernunft |
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| 03 | Dritter Abschnitt. |
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| 04 | Von dem Interesse der Vernunft bei diesem ihrem |
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| 05 | Widerstreite. |
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| 06 | Da haben wir nun das ganze dialektische Spiel der kosmologischen | ||||||
| 07 | Ideen, die es gar nicht verstatten, daß ihnen ein congruirender Gegenstand | ||||||
| 08 | in irgend einer möglichen Erfahrung gegeben werde, ja nicht einmal, | ||||||
| 09 | daß die Vernunft sie einstimmig mit allgemeinen Erfahrungsgesetzen | ||||||
| 10 | denke, die gleichwohl doch nicht willkürlich erdacht sind, sondern auf | ||||||
| 11 | welche die Vernunft im continuirlichen Fortgange der empirischen Synthesis | ||||||
| 12 | nothwendig geführt wird, wenn sie das, was nach Regeln der Erfahrung | ||||||
| 13 | jederzeit nur bedingt bestimmt werden kann, von aller Bedingung | ||||||
| 14 | befreien und in seiner unbedingten Totalität fassen will. Diese vernünftelnde | ||||||
| 15 | Behauptungen sind so viel Versuche, vier natürliche und unvermeidliche | ||||||
| 16 | Problemen der Vernunft aufzulösen, deren es also nur gerade so | ||||||
| 17 | viel, nicht mehr, auch nicht weniger, geben kann, weil es nicht mehr Reihen | ||||||
| 18 | synthetischer Voraussetzungen giebt, welche die empirische Synthesis a priori | ||||||
| 19 | begrenzen. | ||||||
| 20 | Wir haben die glänzenden Anmaßungen der ihr Gebiet über alle | ||||||
| 21 | Grenzen der Erfahrung erweiternden Vernunft nur in trockenen Formeln, | ||||||
| 22 | welche bloß den Grund ihrer rechtlichen Ansprüche enthalten, vorgestellt | ||||||
| 23 | und, wie es einer Transscendentalphilosophie geziemt, diese von allem | ||||||
| 24 | Empirischen entkleidet, obgleich die ganze Pracht der Vernunftbehauptungen | ||||||
| 25 | nur in Verbindung mit demselben hervorleuchten kann. In dieser | ||||||
| 26 | Anwendung aber und der fortschreitenden Erweiterung des Vernunftgebrauchs, | ||||||
| 27 | indem sie von dem Felde der Erfahrungen anhebt und sich bis | ||||||
| 28 | zu diesen erhabenen Ideen allmählig hinaufschwingt, zeigt die Philosophie | ||||||
| 29 | eine Würde, welche, wenn sie ihre Anmaßungen nur behaupten könnte, | ||||||
| 30 | den Werth aller anderen menschlichen Wissenschaft weit unter sich lassen | ||||||
| 31 | würde, indem sie die Grundlage zu unseren größten Erwartungen und | ||||||
| 32 | Aussichten auf die letzten Zwecke, in welchen alle Vernunftbemühungen | ||||||
| 33 | sich endlich vereinigen müssen, verheißt. Die Fragen: ob die Welt einen | ||||||
| 34 | Anfang und irgend eine Grenze ihrer Ausdehnung im Raum habe; ob | ||||||
| 35 | es irgendwo und vielleicht in meinem denkenden Selbst eine untheilbare | ||||||
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