Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 309 |
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Text (Kant):
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| 01 | Der Antinomie der reinen Vernunft |
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| 02 | Dritter Widerstreit der transscendentalen Ideen. |
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| 03 | Antithesis. |
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| 04 | Es ist keine Freiheit, sondern alles in der Welt geschieht lediglich | ||||||
| 05 | nach Gesetzen der Natur. | ||||||
| 06 | Beweis. |
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| 07 | Setzet: es gebe eine Freiheit im transscendentalen Verstande als | ||||||
| 08 | eine besondere Art von Causalität, nach welcher die Begebenheiten der | ||||||
| 09 | Welt erfolgen könnten, nämlich ein Vermögen, einen Zustand, mithin | ||||||
| 10 | auch eine Reihe von Folgen desselben schlechthin anzufangen; so wird | ||||||
| 11 | nicht allein eine Reihe durch diese Spontaneität, sondern die Bestimmung | ||||||
| 12 | dieser Spontaneität selbst zur Hervorbringung der Reihe, d. i. die Causalität, | ||||||
| 13 | wird schlechthin anfangen, so daß nichts vorhergeht, wodurch diese | ||||||
| 14 | geschehende Handlung nach beständigen Gesetzen bestimmt sei. Es setzt | ||||||
| 15 | aber ein jeder Anfang zu handeln einen Zustand der noch nicht handelnden | ||||||
| 16 | Ursache voraus und ein dynamisch erster Anfang der Handlung einen | ||||||
| 17 | Zustand, der mit dem vorhergehenden eben derselben Ursache gar keinen | ||||||
| 18 | Zusammenhang der Causalität hat, d. i. auf keine Weise daraus erfolgt. | ||||||
| 19 | Also ist die transscendentale Freiheit dem Causalgesetze entgegen und eine | ||||||
| 20 | solche Verbindung der successiven Zustände wirkender Ursachen, nach welcher | ||||||
| 21 | keine Einheit der Erfahrung möglich ist, die also auch in keiner Erfahrung | ||||||
| 22 | angetroffen wird, mithin ein leeres Gedankending. | ||||||
| 23 | Wir haben also nichts als Natur, in welcher wir den Zusammenhang | ||||||
| 24 | und Ordnung der Weltbegebenheiten suchen müssen. Die Freiheit | ||||||
| 25 | (Unabhängigkeit) von den Gesetzen der Natur ist zwar eine Befreiung | ||||||
| 26 | vom Zwange, aber auch vom Leitfaden aller Regeln. Denn man kann | ||||||
| 27 | nicht sagen, daß anstatt der Gesetze der Natur Gesetze der Freiheit in die | ||||||
| 28 | Causalität des Weltlaufs eintreten, weil, wenn diese nach Gesetzen bestimmt | ||||||
| 29 | wäre, sie nicht Freiheit, sondern selbst nichts anders als Natur | ||||||
| 30 | wäre. Natur also und transscendentale Freiheit unterscheiden sich wie | ||||||
| 31 | Gesetzmäßigkeit und Gesetzlosigkeit, davon jene zwar den Verstand mit der | ||||||
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