Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 177 |
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| 01 | Kennzeichen der Substanz (phaenomenon) ist? Allein nach unserm vorigen | ||||||
| 02 | hat die Auflösung der Frage doch keine solche Schwierigkeit, ob sie | ||||||
| 03 | gleich nach der gemeinen Art (bloß analytisch mit seinen Begriffen zu verfahren) | ||||||
| 04 | ganz unauflöslich sein würde. Handlung bedeutet schon das Verhältniß | ||||||
| 05 | des Subjects der Causalität zur Wirkung. Weil nun alle Wirkung | ||||||
| 06 | in dem besteht, was da geschieht, mithin im Wandelbaren, was die Zeit | ||||||
| 07 | der Succession nach bezeichnet: so ist das letzte Subject desselben das Beharrliche | ||||||
| 08 | als das Substratum alles Wechselnden, d. i. die Substanz. | ||||||
| 09 | Denn nach dem Grundsatze der Causalität sind Handlungen immer der | ||||||
| 10 | erste Grund von allem Wechsel der Erscheinungen und können also nicht | ||||||
| 11 | in einem Subject liegen, was selbst wechselt, weil sonst andere Handlungen | ||||||
| 12 | und ein anderes Subject, welches diesen Wechsel bestimmte, erforderlich | ||||||
| 13 | wären. Kraft dessen beweiset nun Handlung, als ein hinreichendes | ||||||
| 14 | empirisches Kriterium, die Substantialität, ohne daß ich die Beharrlichkeit | ||||||
| 15 | desselben durch verglichene Wahrnehmungen allererst zu suchen nöthig | ||||||
| 16 | hätte, welches auch auf diesem Wege mit der Ausführlichkeit nicht geschehen | ||||||
| 17 | könnte, die zu der Größe und strengen Allgemeingültigkeit des Begriffs | ||||||
| 18 | erforderlich ist. Denn daß das erste Subject der Causalität alles Entstehens | ||||||
| 19 | und Vergehens selbst nicht (im Felde der Erscheinungen) entstehen | ||||||
| 20 | und vergehen könne, ist ein sicherer Schluß, der auf empirische Nothwendigkeit | ||||||
| 21 | und Beharrlichkeit im Dasein, mithin auf den Begriff einer Substanz | ||||||
| 22 | als Erscheinung ausläuft. | ||||||
| 23 | Wenn etwas geschieht, so ist das bloße Entstehen ohne Rücksicht auf | ||||||
| 24 | das, was da entsteht, schon an sich selbst ein Gegenstand der Untersuchung. | ||||||
| 25 | Der Übergang aus dem Nichtsein eines Zustandes in diesen Zustand, gesetzt | ||||||
| 26 | daß dieser auch keine Qualität in der Erscheinung enthielte, ist schon | ||||||
| 27 | allein nöthig zu untersuchen. Dieses Entstehen trifft, wie in der Nummer | ||||||
| 28 | A gezeigt worden, nicht die Substanz (denn die entsteht nicht), sondern | ||||||
| 29 | ihren Zustand. Es ist also bloß Veränderung und nicht Ursprung aus | ||||||
| 30 | Nichts. Wenn dieser Ursprung als Wirkung von einer fremden Ursache | ||||||
| 31 | angesehen wird, so heißt er Schöpfung, welche als Begebenheit unter den | ||||||
| 32 | Erscheinungen nicht zugelassen werden kann, indem ihre Möglichkeit allein | ||||||
| 33 | schon die Einheit der Erfahrung aufheben würde; obzwar, wenn ich alle | ||||||
| 34 | Dinge nicht als Phänomene, sondern als Dinge an sich betrachte und als | ||||||
| 35 | Gegenstände des bloßen Verstandes, sie, obschon sie Substanzen sind, | ||||||
| 36 | dennoch wie abhängig ihrem Dasein nach von fremder Ursache angesehen | ||||||
| 37 | werden können; welches aber alsdann ganz andere Wortbedeutungen nach | ||||||
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