Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 145

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 (möglichen) Bewußtseins, mithin auch nicht zur transscendentalen      
  02 und nothwendigen Einheit der Apperception zusammen schicken      
  03 würden. Die Erfahrung hat also Principien ihrer Form a priori zum      
  04 Grunde liegen, nämlich allgemeine Regeln der Einheit in der Synthesis      
  05 der Erscheinungen, deren objective Realität als nothwendige Bedingungen      
  06 jederzeit in der Erfahrung, ja sogar ihrer Möglichkeit gewiesen werden      
  07 kann. Außer dieser Beziehung aber sind synthetische Sätze a priori gänzlich      
  08 unmöglich, weil sie kein Drittes, nämlich keinen Gegenstand, haben,      
  09 an dem die synthetische Einheit ihrer Begriffe objective Realität darthun      
  10 könnte.      
           
  11 Ob wir daher gleich vom Raume überhaupt, oder den Gestalten,      
  12 welche die productive Einbildungskraft in ihm verzeichnet, so vieles      
  13 a priori in synthetischen Urtheilen erkennen, so daß wir wirklich hiezu gar      
  14 keiner Erfahrung bedürfen: so würde doch dieses Erkenntniß gar nichts,      
  15 sondern die Beschäftigung mit einem bloßen Hirngespinst sein, wäre der      
  16 Raum nicht als Bedingung der Erscheinungen, welche den Stoff zur      
  17 äußeren Erfahrung ausmachen, anzusehen; daher sich jene reine synthetische      
  18 Urtheile, obzwar nur mittelbar, auf mögliche Erfahrung, oder vielmehr      
  19 auf dieser ihre Möglichkeit selbst beziehen und darauf allein die objective      
  20 Gültigkeit ihrer Synthesis gründen.      
           
  21 Da also Erfahrung als empirische Synthesis in ihrer Möglichkeit      
  22 die einzige Erkenntnißart ist, welche aller andern Synthesis Realität giebt,      
  23 so hat diese als Erkenntniß a priori auch nur dadurch Wahrheit (Einstimmung      
  24 mit dem Object), daß sie nichts weiter enthält, als was zur      
  25 synthetischen Einheit der Erfahrung überhaupt nothwendig ist.      
           
  26 Das oberste Principium aller synthetischen Urtheile ist also: ein jeder      
  27 Gegenstand steht unter den nothwendigen Bedingungen der synthetischen      
  28 Einheit des Mannigfaltigen der Anschauung in einer möglichen Erfahrung.      
           
  30 Auf solche Weise sind synthetische Urtheile a priori möglich, wenn wir      
  31 die formalen Bedingungen der Anschauung a priori, die Synthesis der      
  32 Einbildungskraft und die nothwendige Einheit derselben in einer transscendentalen      
  33 Apperception, auf ein mögliches Erfahrungserkenntniß überhaupt      
  34 beziehen und sagen: die Bedingungen der Möglichkeit der Erfahrung      
  35 überhaupt sind zugleich Bedingungen der Möglichkeit der      
  36 Gegenstände der Erfahrung und haben darum objective Gültigkeit      
  37 in einem synthetischen Urtheile a priori.      
           
           
     

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