Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 121

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 Vermögen der Anschauungen ist und diese, wenn sie auch in der Sinnlichkeit      
  02 gegeben wäre, doch nicht in sich aufnehmen kann, um gleichsam      
  03 das Mannigfaltige seiner eigenen Anschauung zu verbinden, so ist seine      
  04 Synthesis, wenn er für sich allein betrachtet wird, nichts anders als die      
  05 Einheit der Handlung, deren er sich als einer solchen auch ohne Sinnlichkeit      
  06 bewußt ist, durch die er aber selbst die Sinnlichkeit innerlich in Ansehung      
  07 des Mannigfaltigen, was der Form ihrer Anschauung nach ihm      
  08 gegeben werden mag, zu bestimmen vermögend ist. Er also übt unter der      
  09 Benennung einer transscendentalen Synthesis der Einbildungskraft      
  10 diejenige Handlung aufs passive Subject, dessen Vermögen er      
  11 ist, aus, wovon wir mit Recht sagen, daß der innere Sinn dadurch afficirt      
  12 werde. Die Apperception und deren synthetische Einheit ist mit dem      
  13 inneren Sinne so gar nicht einerlei, daß jene vielmehr, als der Quell aller      
  14 Verbindung, auf das Mannigfaltige der Anschauungen überhaupt,      
  15 unter dem Namen der Kategorien vor aller sinnlichen Anschauung auf      
  16 Objecte überhaupt geht; dagegen der innere Sinn die bloße Form der      
  17 Anschauung, aber ohne Verbindung des Mannigfaltigen in derselben, mithin      
  18 noch gar keine bestimmte Anschauung enthält, welche nur durch das      
  19 Bewußtsein der Bestimmung desselben durch die transscendentale Handlung      
  20 der Einbildungskraft (synthetischer Einfluß des Verstandes auf den      
  21 inneren Sinn), welche ich die figürliche Synthesis genannt habe, möglich      
  22 ist.      
           
  23 Dieses nehmen wir auch jederzeit in uns wahr. Wir können uns      
  24 keine Linie denken, ohne sie in Gedanken zu ziehen, keinen Cirkel denken,      
  25 ohne ihn zu beschreiben, die drei Abmessungen des Raums gar nicht      
  26 vorstellen, ohne aus demselben Punkte drei Linien senkrecht auf einander      
  27 zu setzen, und selbst die Zeit nicht, ohne indem wir im Ziehen einer geraden      
  28 Linie (die die äußerlich figürliche Vorstellung der Zeit sein soll)      
  29 bloß auf die Handlung der Synthesis des Mannigfaltigen, dadurch wir      
  30 den inneren Sinn successiv bestimmen, und dadurch auf die Succession      
  31 dieser Bestimmung in demselben Acht haben. Bewegung als Handlung      
  32 des Subjects (nicht als Bestimmung eines Objects)*), folglich die Synthesis      
           
    *) Bewegung eines Objects im Raume gehört nicht in eine reine Wissenschaft, folglich auch nicht in die Geometrie, weil, daß etwas beweglich sei, nicht a priori, sondern nur durch Erfahrung erkannt werden kann. Aber Bewegung als Beschreibung eines Raumes ist ein reiner Actus der successiven Synthesis des Mannigfaltigen [Seitenumbruch] in der äußeren Anschauung überhaupt durch productive Einbildungskraft und gehört nicht allein zur Geometrie, sondern sogar zur Transscendentalphilosophie.      
           
     

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