Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 059 |
|||||||
Zeile:
|
Text (Kant):
|
|
|
||||
| 01 | § 5. |
||||||
| 02 | Transscendentale Erörterung des Begriffs der Zeit. |
||||||
| 03 | Ich kann mich deshalb auf Nr. 3 berufen, wo ich, um kurz zu sein, | ||||||
| 04 | das, was eigentlich transscendental ist, unter die Artikel der metaphysischen | ||||||
| 05 | Erörterung gesetzt habe. Hier füge ich noch hinzu, daß der Begriff | ||||||
| 06 | der Veränderung und mit ihm der Begriff der Bewegung (als Veränderung | ||||||
| 07 | des Orts) nur durch und in der Zeitvorstellung möglich ist; daß, | ||||||
| 08 | wenn diese Vorstellung nicht Anschauung (innere) a priori wäre, kein Begriff, | ||||||
| 09 | welcher es auch sei, die Möglichkeit einer Veränderung, d. i. einer | ||||||
| 10 | Verbindung contradictorisch entgegengesetzter Prädicate (z. B. das Sein | ||||||
| 11 | an einem Orte und das Nichtsein eben desselben Dinges an demselben | ||||||
| 12 | Orte) in einem und demselben Objecte, begreiflich machen könnte. Nur | ||||||
| 13 | in der Zeit können beide contradictorisch=entgegengesetzte Bestimmungen | ||||||
| 14 | in einem Dinge, nämlich nach einander, anzutreffen sein. Also erklärt | ||||||
| 15 | unser Zeitbegriff die Möglichkeit so vieler synthetischer Erkenntniß a priori | ||||||
| 16 | als die allgemeine Bewegungslehre, die nicht wenig fruchtbar ist, darlegt. | ||||||
| 17 | § 6. |
||||||
| 18 | Schlüsse aus diesen Begriffen. |
||||||
| 19 | a) Die Zeit ist nicht etwas, was für sich selbst bestände, oder den | ||||||
| 20 | Dingen als objective Bestimmung anhinge, mithin übrig bliebe, wenn | ||||||
| 21 | man von allen subjectiven Bedingungen der Anschauung derselben abstrahirt: | ||||||
| 22 | denn im ersten Fall würde sie etwas sein, was ohne wirklichen Gegenstand | ||||||
| 23 | dennoch wirklich wäre. Was aber das zweite betrifft, so könnte sie | ||||||
| 24 | als eine den Dingen selbst anhängende Bestimmung oder Ordnung nicht | ||||||
| 25 | vor den Gegenständen als ihre Bedingung vorhergehen und a priori durch | ||||||
| 26 | synthetische Sätze erkannt und angeschaut werden. Dieses letztere findet | ||||||
| 27 | dagegen sehr wohl statt, wenn die Zeit nichts als die subjective Bedingung | ||||||
| 28 | ist, unter der alle Anschauungen in uns stattfinden können. Denn da kann | ||||||
| 29 | diese Form der innern Anschauung vor den Gegenständen, mithin a priori | ||||||
| 30 | vorgestellt werden. | ||||||
| 31 | b) Die Zeit ist nichts anders als die Form des innern Sinnes, d. i. | ||||||
| 32 | des Anschauens unserer selbst und unseres innern Zustandes. Denn die | ||||||
| [ Seite 058 ] [ Seite 060 ] [ Inhaltsverzeichnis ] |
|||||||