Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 052 |
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| 01 | Raume vor. Darin ist ihre Gestalt, Größe und Verhältniß gegen einander | ||||||
| 02 | bestimmt oder bestimmbar. Der innere Sinn, vermittelst dessen | ||||||
| 03 | das Gemüth sich selbst oder seinen inneren Zustand anschauet, giebt zwar | ||||||
| 04 | keine Anschauung von der Seele selbst als einem Object; allein es ist doch | ||||||
| 05 | eine bestimmte Form, unter der die Anschauung ihres inneren Zustandes | ||||||
| 06 | allein möglich ist, so daß alles, was zu den inneren Bestimmungen gehört, | ||||||
| 07 | in Verhältnissen der Zeit vorgestellt wird. Äußerlich kann die Zeit nicht | ||||||
| 08 | angeschaut werden, so wenig wie der Raum als etwas in uns. Was sind | ||||||
| 09 | nun Raum und Zeit? Sind es wirkliche Wesen? Sind es zwar nur Bestimmungen | ||||||
| 10 | oder auch Verhältnisse der Dinge, aber doch solche, welche | ||||||
| 11 | ihnen auch an sich zukommen würden, wenn sie auch nicht angeschaut | ||||||
| 12 | würden, oder sind sie solche, die nur an der Form der Anschauung allein | ||||||
| 13 | haften und mithin an der subjectiven Beschaffenheit unseres Gemüths, | ||||||
| 14 | ohne welche diese Prädicate gar keinem Dinge beigelegt werden können? | ||||||
| 15 | Um uns hierüber zu belehren, wollen wir zuerst den Begriff des Raumes | ||||||
| 16 | erörtern. Ich verstehe aber unter Erörterung ( expositio ) die deutliche | ||||||
| 17 | (wenn gleich nicht ausführliche) Vorstellung dessen, was zu einem Begriffe | ||||||
| 18 | gehört; metaphysisch aber ist die Erörterung, wenn sie dasjenige enthält, | ||||||
| 19 | was den Begriff als a priori gegeben darstellt. | ||||||
| 20 | 1) Der Raum ist kein empirischer Begriff, der von äußeren Erfahrungen | ||||||
| 21 | abgezogen worden. Denn damit gewisse Empfindungen auf etwas | ||||||
| 22 | außer mir bezogen werden (d. i. auf etwas in einem andern Orte des | ||||||
| 23 | Raumes, als darin ich mich befinde), imgleichen damit ich sie als außer | ||||||
| 24 | und neben einander, mithin nicht bloß verschieden, sondern als in verschiedenen | ||||||
| 25 | Orten vorstellen könne, dazu muß die Vorstellung des Raumes | ||||||
| 26 | schon zum Grunde liegen. Demnach kann die Vorstellung des Raumes | ||||||
| 27 | nicht aus den Verhältnissen der äußern Erscheinung durch Erfahrung erborgt | ||||||
| 28 | sein, sondern diese äußere Erfahrung ist selbst nur durch gedachte | ||||||
| 29 | Vorstellung allererst möglich. | ||||||
| 30 | 2) Der Raum ist eine nothwendige Vorstellung a priori, die allen | ||||||
| 31 | äußeren Anschauungen zum Grunde liegt. Man kann sich niemals eine | ||||||
| 32 | Vorstellung davon machen, daß kein Raum sei, ob man sich gleich ganz | ||||||
| 33 | wohl denken kann, daß keine Gegenstände darin angetroffen werden. Er | ||||||
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