Kant: AA II, Recension von Moscatis ... , Seite 424

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 unvermeidlichen Hang bekommt. Bei dieser geraden Stellung des Menschen      
  02 sinkt das Gekröse ( Mesenterium ), von der Last der Eingeweide gezogen,      
  03 senkrecht herunter, wird verlängert und geschwächt und zu einer Menge      
  04 Brüche vorbereitet. In der Pfortader, die keine Klappen hat, wird sich      
  05 das Blut dadurch, daß es in ihr wider die Richtung der Schwere steigen      
  06 muß, langsam und schwerer bewegen, als bei der wagrechten Lage des      
  07 Rumpfs geschehen würde, woraus Hypochondrie, Hämorrhoiden etc. etc. entspringen;      
  08 zu geschweigen: daß die Schwierigkeit, welche der Umlauf des      
  09 Bluts, das durch die Blutadern der Beine bis zum Herzen gerade in die      
  10 Höhe steigen muß, erleidet, Geschwülste, Aderkröpfe etc. etc. nicht selten nach      
  11 sich zieht. Vornehmlich ist der Nachtheil aus dieser senkrechten Stellung      
  12 bei Schwangern sowohl in Ansehung der Frucht, als auch der Mutter sehr      
  13 sichtbar. Das Kind, das hiedurch auf den Kopf gestellt wird, empfängt      
  14 das Blut in sehr ungleichem Verhältnisse: indem solches in weit größerer      
  15 Menge nach den obern Theilen, in den Kopf und die Arme, getrieben wird,      
  16 wodurch beide in ganz andere Verhältnisse ausgedehnt werden und wachsen,      
  17 als bei allen übrigen Thieren. Aus dem erstern Zuflusse entspringen erbliche      
  18 Neigungen zum Schwindel, zum Schlage, zu Kopfschmerzen und      
  19 Wahnwitz; aus dem Zudrange des Bluts zu den Armen und Ableitung      
  20 von den Beinen die merkwürdige und sonst bei keinem Thier wahrgenommene      
  21 Disproportion: daß die Arme der Frucht über ihr geziemendes      
  22 Verhältniß länger und die Beine kürzer werden, welches sich zwar nach      
  23 der Geburt durch die beständig senkrechte Stellung wiederum verbessert,      
  24 aber doch beweiset, daß der Frucht vorher Gewalt geschehen sein müsse.      
  25 Die Schäden der zweifüßigen Mutter sind Hervorschießung der Gebärmutter,      
  26 unzeitige Geburten etc. etc., welche mit einer Iliade von andern      
  27 Übeln aus ihrer aufrechten Stellung entspringen und wovon die vierfüßige      
  28 Geschöpfe frei sind. Man könnte diese Beweisgründe, daß unsere thierische      
  29 Natur eigentlich vierfüßig sei, noch durch andre vermehren. Unter allen      
  30 vierfüßigen Thieren ist nicht ein einziges, welches nicht schwimmen könnte,      
  31 wenn es durch Zufälle ins Wasser geräth. Der Mensch allein ersäuft, wo      
  32 er das Schwimmen nicht besonders gelernt hat. Die Ursache ist, weil er      
  33 die Gewohnheit abgelegt hat, auf Vieren zu gehen; denn diese Bewegung      
  34 ist es, durch die er sich auf dem Wasser ohne alle Kunst erhalten würde,      
  35 und wodurch alle vierfüßige Geschöpfe schwimmen, die sonst das Wasser      
  36 verabscheuen. So paradox auch dieser Satz unseres italienischen Doctors      
  37 scheinen mag, so erhält er doch in den Händen eines so scharfsinnigen und      
           
     

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