Kant: AA II, Von dem ersten Grunde des ... , Seite 378

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 nicht auf dessen Orter, weil dieses nichts anders sein würde, als die Lage      
  02 eben derselben Theile in einem äußeren Verhältniß, sondern auf den allgemeinen      
  03 Raum als eine Einheit, wovon jede Ausdehnung wie ein Theil      
  04 angesehen werden muß. Es ist kein Wunder, wenn der Leser diese Begriffe      
  05 noch sehr unverständlich findet, die sich auch allererst im Fortgange      
  06 aufklären sollen, ich setze daher nichts weiter hinzu, als daß mein Zweck      
  07 in dieser Abhandlung sei, zu versuchen, ob nicht in den anschauenden Urtheilen      
  08 der Ausdehnung, dergleichen die Meßkunst enthält, ein evidenter      
  09 Beweis zu finden sei: daß der absolute Raum unabhängig von      
  10 dem Dasein aller Materie und selbst als der erste Grund der      
  11 Möglichkeit ihrer Zusammensetzung eine eigene Realität habe.      
  12 Jedermann weiß, wie vergeblich die Bemühungen der Philosophen gewesen      
  13 sind, diesen Punkt vermittelst der abgezogensten Urtheile der Metaphysik      
  14 einmal außer allen Streit zu setzen, und ich kenne keinen Versuch      
  15 dieses gleichsam a posteriori auszuführen (nämlich vermittelst anderer      
  16 unleugbaren Sätze, die selbst zwar außer dem Bezirke der Metaphysik      
  17 liegen, aber doch durch deren Anwendung in concreto einen Probirstein      
  18 von ihrer Richtigkeit abgeben können), als die Abhandlung des berühmten      
  19 Eulers des Ältern in der Historie der K. Akad. d. W. zu Berl. vom Jahr      
  20 1748, die dennoch ihren Zweck nicht völlig erreicht, weil sie nur die      
  21 Schwierigkeiten zeigt, den allgemeinsten Bewegungsgesetzen eine bestimmte      
  22 Bedeutung zu geben, wenn man keinen andern Begriff des Raumes annimmt      
  23 als denjenigen, der aus der Abstraction von dem Verhältniß wirklicher      
  24 Dinge entspringt, allein die nicht mindere Schwierigkeiten unberührt      
  25 läßt, welche bei der Anwendung gedachter Gesetze übrig bleiben,      
  26 wenn man sie nach dem Begriffe des absoluten Raumes in concreto vorstellen      
  27 will. Der Beweis, den ich hier suche, soll nicht den Mechanikern,      
  28 wie Herr Euler zur Absicht hatte, sondern selbst den Meßkünstlern einen      
  29 überzeugenden Grund an die Hand geben, mit der ihnen gewöhnlichen      
  30 Evidenz die Wirklichkeit ihres absoluten Raumes behaupten zu können.      
  31 Ich mache dazu folgende Vorbereitung.      
           
  32 In dem körperlichen Raume lassen sich wegen seiner drei Abmessungen      
  33 drei Flächen denken, die einander insgesammt rechtwinklicht schneiden.      
  34 Da wir alles, was außer uns ist, durch die Sinnen nur in so fern      
  35 kennen, als es in Beziehung auf uns selbst steht, so ist kein Wunder, daß      
  36 wir von dem Verhältniß dieser Durchschnittsflächen zu unserem Körper      
  37 den ersten Grund hernehmen, den Begriff der Gegenden im Raume zu      
           
     

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