Kant: AA II, Beobachtungen über das ... , Seite 242

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 am meisten daran, daß der Mann als Mann vollkommner werde und die      
  02 Frau als ein Weib, d. i. daß die Triebfedern der Geschlechterneigung dem      
  03 Winke der Natur gemäß wirken, den einen noch mehr zu veredlen und die      
  04 Eigenschaften der andren zu verschönern. Wenn alles aufs Äußerste kommt,      
  05 so wird der Mann, dreist auf seine Verdienste, sagen können: Wenn ihr      
  06 mich gleich nicht liebt, so will ich euch zwingen mich hochzuachten,      
  07 und das Frauenzimmer, sicher der Macht ihrer Reize, wird antworten:      
  08 Wenn ihr uns gleich nicht innerlich hochschätzet, so      
  09 zwingen wir euch doch uns zu lieben. In Ermangelung solcher      
  10 Grundsätze sieht man Männer Weiblichkeiten annehmen, um zu gefallen,      
  11 und Frauenzimmer bisweilen (wiewohl viel seltner) einen männlichen Anstand      
  12 künstlen, um Hochachtung einzuflößen; was man aber wider den      
  13 Dank der Natur macht, das macht man jederzeit sehr schlecht.      
           
  14 In dem ehelichen Leben soll das vereinigte Paar gleichsam eine einzige      
  15 moralische Person ausmachen, welche durch den Verstand des Mannes      
  16 und den Geschmack der Frauen belebt und regiert wird. Denn nicht allein      
  17 daß man jenem mehr auf Erfahrung gegründete Einsicht, diesem aber      
  18 mehr Freiheit und Richtigkeit in der Empfindung zutrauen kann, so ist      
  19 eine Gemüthsart, je erhabener sie ist, auch um desto geneigter die größte      
  20 Absicht der Bemühungen in der Zufriedenheit eines geliebten Gegenstandes      
  21 zu setzen, und andererseits je schöner sie ist, desto mehr sucht sie durch      
  22 Gefälligkeit diese Bemühung zu erwiedern. Es ist also in einem solchen      
  23 Verhältnisse ein Vorzugsstreit läppisch und, wo er sich eräugnet, das      
  24 sicherste Merkmal eines plumpen oder ungleich gepaarten Geschmackes.      
  25 Wenn es dahin kommt, daß die Rede vom Rechte des Befehlshabers ist,      
  26 so ist die Sache schon äußerst verderbt; denn wo die ganze Verbindung      
  27 eigentlich nur auf Neigung errichtet ist, da ist sie schon halb zerrissen, so      
  28 bald sich das Sollen anfängt hören zu lassen. Die Anmaßung des Frauenzimmers      
  29 in diesem harten Tone ist äußerst häßlich und des Mannes im      
  30 höchsten Grade unedel und verächtlich. Indessen bringt es die weise Ordnung      
  31 der Dinge so mit sich: daß alle diese Feinigkeiten und Zärtlichkeiten      
  32 der Empfindung nur im Anfange ihre ganze Stärke haben, in der Folge      
  33 aber durch Gemeinschaft und häusliche Angelegenheit allmählig stumpfer      
  34 werden und dann in vertrauliche Liebe ausarten, wo endlich die große      
           
     

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