Kant: AA II, M. Immanuel Kants Neuer ... , Seite 023

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 Wenn ich vorgebe, daß ein Körper in einen andern niemals mit      
  02 einem Grade Kraft auf einmal wirken könne, ohne alle mögliche kleine      
  03 Zwischengrade vorher durchzugehen, so, sage ich, werde er in ihn gar nicht      
  04 wirken können. Denn es mag noch so ein unendlich kleines Moment sein,      
  05 womit er in einem Augenblicke wirkt, und welches sich in einem bestimmten      
  06 Zeittheilchen zu einer gegebenen Geschwindigkeit häuft, so ist dieses      
  07 Moment immer eine plötzliche Wirkung, die nach dem Gesetze der Continuität      
  08 erstlich hätte durch alle unendliche Grade der gringeren Momente      
  09 durchgehen sollen und auch können; denn es läßt sich immer von einem      
  10 gegebenen Moment ein anderes, kleineres denken, aus dessen Summirung      
  11 jenes erwachsen ist. Z. E. das Moment der Schwere ist gewiß unendlich      
  12 kleiner, als das Moment der Handlung bei dem Stoße der Körper, weil      
  13 diese in einer ganz unmerklichen Zeit große Grade Geschwindigkeit zuwege      
  14 bringen kann, welche die Schwere in weit längerer nur erzeugen könnte.      
  15 Also ist selbst das Moment der Wirkung beim Stoße plötzlich und dem      
  16 Gesetze der Continuität zuwider. Man darf auch nicht vorwenden, es gebe      
  17 gar keine vollkommen harte Körper in der Natur. Denn es ist hier genug      
  18 sie nur zu gedenken und die Bewegungsgesetze derselben zu bestimmen,      
  19 weil nur vermittelst derselben diejenige, nach welchen biegsame Körper      
  20 einander stoßen, gefunden werden können. Und überdem hat doch ein jeglicher      
  21 weiche Körper einen gewissen Grad des Zusammenhanges, mit      
  22 welchem er in Ansehung des ihm gleichen oder kleinern Moments in der      
  23 Kraft des stoßenden als ein harter Körper kann angesehen werden, und      
  24 wenn nur in Ansehung dieses eine plötzliche Wirkung möglich ist, so wird      
  25 sie auch in Ansehung größerer Grade statt finden können.      
           
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Schlüssel zur Erläuterung der Gesetze des Stoßes nach
     
  27
dem neuen Begriffe der Bewegung und Ruhe.
     
           
  28 Was in dem Stoße zwischen den beiden gegenseitig wirkenden Körpern      
  29 vorgeht, ist nach unserm Lehrbegriffe aus dem vorigen schon klar. Es      
  30 besteht nämlich bloß darin: daß Wirkung und Gegenwirkung beiderseitig      
  31 gleich sind, und daß beide Körper nach dem Stoße beziehungsweise aufeinander      
  32 ruhen, wenn sie einander nämlich gerade zu getroffen haben, und      
  33 man von aller Federkraft abstrahirt. Allein unter der Benennung von      
  34 Bewegungsgesetzen versteht man nicht bloß die Regeln der Beziehung, die      
  35 die stoßende Körper einer in Ansehung des andern bekommen, sondern      
           
     

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